Signalworte wie "Sitz" oder "Bleib", aber auch alltägliche Begriffe wie "Gassi" und "raus" oder "Ball" und "spielen" kennen die meisten Haushunde und wissen sofort, was gemeint ist. Nur sehr wenige Hunde schaffen es jedoch, Dutzende oder gar Hunderte Objektbegriffe sicher zu beherrschen – diese Vierbeiner können dann konkret zwischen Aufforderungen wie "Ball", "Seil" oder "Igel" unterscheiden und aus einem Haufen Spielzeug das richtige Objekt wählen.
Ein internationales Forschungsteam der Universität Portsmouth und der "HundeStudien"-Arbeitsgruppe der Universität Jena hat nun erstmals untersucht, was solche vierbeinigen Ausnahmetalente von anderen Hunden unterscheidet. Die Untersuchung der Forscherinnen, deren Ergebnisse im Magazin "Scientific Reports" veröffentlicht wurden, zeigt: Die Ausnahmetalente unterscheiden sich in ihrem Denken deutlich von gut trainierten, aber "normalen" Familienhunden.
"Nicht jeder Hund kann eine so große Vielfalt an Objekten unterscheiden – diese Fähigkeit ist extrem selten und scheint eine natürliche Begabung zu sein", sagt Dr. Juliane Kaminski von der Universität Portsmouth, die die Studie gemeinsam mit Dr. Juliane Bräuer von der Universität Jena leitete.
Kognitive Tests
Für ihre Studie suchten die Forscherinnen weltweit nach passenden Sprachgenies – und fanden insgesamt elf geeignete Hunde aus Großbritannien, den USA, den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland. In einem Vortest mussten die Tiere zeigen, dass sie zahlreiche Objekte zuverlässig anhand ihres Namens auswählen können.
In den Experimenten verglich das Forschungsteam dann diese Gruppe mit einer Gruppe von gleichaltrigen, durchschnittlichen Haushunden, die zwar Signale erkennen können, aber kaum Objektwörter. Dabei konzentrierten sich die Wissenschaftlerinnen auf grundlegende Eigenschaften, die jeder Hund in sehr unterschiedlicher Ausprägung besitzt, und führten bei den Tieren beider Gruppen acht standardisierte kognitive Tests durch – unter anderem zu Problemlöseverhalten, Lernfähigkeit, Gedächtnisleistung und Reaktionen auf neue Objekte.
Drei Eigenschaften machen den Unterschied
Die Auswertung ergab deutliche Unterschiede zwischen beiden Hundegruppen. Besonders auffällig: Die sprachbegabten Hunde zeigten eine ungewöhnlich starke Neugier für neue Objekte. Wenn ihnen unbekannte Spielzeuge präsentiert wurden, verbrachten sie deutlich mehr Zeit damit, diese zu erkunden – ein wichtiger Schritt, um später ein Wort mit genau diesem Gegenstand zu verknüpfen.
Zweitens zeigten die Tiere einen ausgeprägten Objektfokus: Ihre Aufmerksamkeit blieb beharrlich bei dem einen Spielzeug, das gerade in dem Moment relevant war, anstatt ständig zu etwas anderem zu springen. Drittens gelang ihnen die eigene Impulskontrolle besonders gut – sie konnten auf ein Signal warten und stürmten nicht sofort los. So waren sie in der Lage, das "richtige" gefragte Objekt und seine Bezeichnung länger gleichzeitig im Kopf zu behalten.
"Mich überrascht nicht, dass diese Unterdrückung spontaner Präferenzen eine Rolle spielt", sagt Dr. Juliane Bräuer in einer Mitteilung der Universität Jena, die kürzlich mit ihrer Arbeitsgruppe vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie nach Jena gewechselt ist. "Die meisten Hunde können Lieblingsobjekte kaum ignorieren – das erschwert ihnen das Lernen."
Wortgenies sind normalen Hunden nicht überall überlegen
Überraschend ist, was die Studie nicht gefunden hat: Die Sprachgenies haben kein generell überlegenes Gedächtnis. Auch ihre sozialen Fähigkeiten – etwa im Lesen menschlicher Gesten oder Emotionen – unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen durchschnittlicher Familienhunde. Entscheidend scheint vielmehr die Kombination aus Neugier, Detailblick und Selbstkontrolle zu sein. Sie schafft die kognitiven Voraussetzungen dafür, Wörter und Objekte immer wieder sauber miteinander zu verbinden, bis sich ein stabiler Wortschatz aufbaut.
Das kognitive Profil mancher dieser Hunde erinnert Forschende an bestimmte menschliche Wahrnehmungsstile. Ein starker Fokus auf Details und Gegenstände bei gleichzeitig geringerer Fixierung auf soziale Reize ähnelt einzelnen Facetten autistischer Ausprägungen – ohne dass damit eine Diagnose gemeint wäre. Solche Vergleiche sollen vor allem helfen, besser zu verstehen, wie unterschiedlich Gehirne Informationen filtern und gewichten können. Haushunde gelten längst als interessantes Modell, um zu erforschen, wie sich Kognition und Sozialverhalten im engen Zusammenleben mit Menschen entwickeln.
Für den Großteil aller Hunde bleibt ein riesiger Wortschatz unerreichbar – die meisten Vierbeiner kennen nur wenige Objektbezeichnungen, kommen im Alltag aber hervorragend zurecht. Entscheidend für ihr Wohlbefinden sind klare Rituale, verlässliche Signale, gemeinsame Aktivitäten und soziale Bindung, nicht das "Vokabeltraining" am Spielzeugsack.
Gleichzeitig zeigt die Studie, welches Potenzial in gezielter Beschäftigung mit neugierigen, objektfixierten Hunden steckt: Wer ihrem Forscherdrang Raum gibt, sie strukturiert mit neuen Gegenständen konfrontiert und dabei geduldig bleibt, kann erstaunliche Lernleistungen beobachten. Für die Forschung sind diese Wort-Genies damit weit mehr als Showtalente – sie helfen zu klären, wie eng Sprache, Aufmerksamkeit und Persönlichkeit auch bei Hunden zusammenhängen.