Einzelgängerisch, sozial minderbemittelt und wenig einfühlsam? Diese verbreiteten Vorurteile über Katzen stimmen mitnichten. Tatsächlich sind die Vierbeiner außerordentlich soziale Tiere – und dazu fähig, enge Bindungen einzugehen. Einer aktuellen Untersuchung aus den USA zufolge zeigen sie Anzeichen von Trauer nach dem Tod eines anderen Haustiers, das im selben Haushalt gelebt hat – selbst wenn es sich dabei nicht um einen Artgenossen, sondern um den Familienhund handelt.
Brittany Greene und Jennifer Vonk von der Oakland University in Michigan (USA) befragten mehr als 400 Katzenhalterinnen und Katzenhalter, in deren Haushalt ein anderes Haustier verstorben war, zum anschließenden Verhalten der noch lebenden Katze. In etwa zwei Dritteln der Fälle handelte es sich bei dem verstorbenen Haustier um eine andere Katze, bei den übrigen um einen Hund. Die Forscherinnen fragten in ihrer Untersuchung unter anderem ab, welche Beziehung die Besitzer selbst zu dem verstorbenen Haustier gepflegt hatten, welche Beziehung das verstorbene Tier zu der verbliebenen Katze hatte und wie viel Zeit die Tiere untereinander verbracht hatten.
Je länger das Zusammenleben, desto größer die Zeichen von Trauer
Die befragten Katzenhalter stellten auffällige Verhaltensänderungen an ihren Tieren nach dem Tod eines felligen Kumpanen fest. "Die Katzen schliefen schlecht, verweigerten ihr Futter oder vernachlässigten ihre Lieblingsspiele. Stattdessen suchten sie vermehrt die Aufmerksamkeit ihrer Besitzer oder die anderer Haustiere. Die Katzen versteckten sich, verbrachten mehr Zeit allein und schienen nach ihren verlorenen Gefährten zu suchen", schreiben die Autorinnen in ihrer Studie, deren Ergebnisse sie im Fachmagazin "Applied Animal Behaviour Science" veröffentlichten.
Die Katzen schienen den Forscherinnen zufolge außerdem umso stärker betroffen zu sein, je länger sie mit dem verstorbenen Haustier zusammengelebt hatten, während das Miterleben des Todes und die Anzahl der übrigen Haustiere im Haushalt keinen Einfluss auf ihr Verhalten zeigten. "Hatten die Haustiere gemeinsam viel Zeit verbracht, zeigten die Katzen in der Phase nach dem Tod verstärkt trauerähnliche Verhaltensweisen und einen Hang zur Ängstlichkeit", schreiben Greene und Vonk.
Katzen zeigen ähnliche Verhaltensweisen wie Menschen
Damit zeigten die Katzen klar Verhaltensweisen, die auch für trauernde Menschen typisch sind: Viele Menschen neigen dazu, schlechter zu schlafen, weniger Appetit zu haben oder weniger Freude an Aktivitäten und sich stattdessen zurückzuziehen, wenn sie seelischen Schmerz empfinden.
Die beiden Professorinnen der Oakland University räumen allerdings ein, dass die Ergebnisse dieser Befragung mit Vorsicht interpretiert werden müssten. Denn wie Greene und Vonk bemerkten, schilderten die Besitzer, die ein sehr enges Verhältnis zu ihren Katzen pflegten, auch viel eher, dass die trauernden Samptpfoten ihre Aufmerksamkeit gesucht hätten. Es wäre also denkbar, dass die Besitzer ihre eigene Trauer auf die noch verbleibende Katze projiziert haben, so die Forscherinnen.
Trotzdem: Viele Zeichen deuten darauf hin, dass die verbliebenen Katzen tatsächlich um ihre Gefährten trauerten, denn die Verhaltensänderungen waren auffälliger, wenn die Beziehung zum verstorbenen Tier intensiver war. "Für mich ist das ein zwingender Beweis dafür, dass die Beziehungen wichtig sind", so Jennifer Vonk.
Wir haben Katzen falsch charakterisiert.
Für die Kognitionspsychologinnen deutet vieles darauf hin, dass Katzen entgegen der landläufigen Meinung weitaus sozialer sind als gedacht und dass sie ihr Image als unnahbare Stubentiger zu Unrecht tragen. "Ich glaube, wir haben sie falsch charakterisiert", wird Jennifer Vonk von der "New York Times" zitiert. Und mit dieser Meinung ist sie nicht allein.
In der Vergangenheit konnten mehrere wissenschaftliche Untersuchungen immer wieder untermauern, dass Katzen enge Bindungen zu anderen Lebewesen eingehen und sich dies auch in ihrem Verhalten widerspiegelt. So zeigte eine Studie im vergangenen Jahr beispielsweise, dass Katzen ähnlich vielfältig mit Artgenossen und Menschen kommunizieren wie Hunde und ihre Mimik weitaus vielfältiger und nuancenreicher ist als bislang angenommen.
Eine andere Verhaltensstudie konnte im Jahr 2023 nachweisen, dass Katzen ebenso wie Hunde zum Apportieren von Gegenständen fähig sind – und sogar ohne dass sie dafür trainiert wurden. Und ein japanisches Forschungsteam kam 2019 zu dem Schluss, dass Katzen ihren Namen kennen und dazu in der Lage sind, diesen aus anderen Wörtern herauszuhören – sogar, wenn sie von Fremden gerufen werden.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie reihen sich damit ein in eine Vielzahl von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die alle darauf hinweisen, dass das Sozial- und Gefühlsleben von Katzen weitaus komplexer ist, als wir gemeinhin denken mögen. Und dass die Stubentiger ebenso Schmerz und Freude empfinden können wie wir Menschen.