Tierwelt Wie schnurren Katzen? Über die Wissenschaft hinter einem rätselhaften Geräusch

  • von Susanne Paulsen
Schlafende Katze
Wenn eine Katze schnurrt, signalisiert sie nicht zwangsläufig Wohlbefinden. Schnurren dient auch der Kommunikation mit Artgenossen 
© Amelie Walter / Adobe Stock
Katzen schnurren, indem sie ihre Kehlkopfmuskulatur rhythmisch zusammenziehen. So die Theorie. Um das zu testen, ließ ein Forschungsteam Luft durch die präparierten Kehlköpfe verstorbener Hauskatzen strömen. Die Schnurrgeräusche waren auch ohne Muskelaktivität zu hören

Schnurren ist ein rätselhaftes Geräusch. Die Frequenz des sanften "rrrrr" liegt wesentlich tiefer als die menschlicher Stimmen; eigentlich zu tief für den Stimmapparat der doch relativ kleinen Hauskatze. Beim flüchtigen Hinhören klingt der Ton meist gleichmäßig. Mit etwas Aufmerksamkeit lassen sich jedoch klangliche Unterschiede zwischen Ein- und Ausatmung ausmachen sowie winzige Pausen, in denen sich der Luftstrom im Kehlkopf umkehrt. Man erkennt vielleicht auch: Nicht nur der Katzenhals vibriert, sondern gleichzeitig auch Teile ihrer Körperoberfläche.

Die gängige Katzenschnurr-Theorie stammt auf den 1970er-Jahren: Demnach entsteht das purrende Geräusch, indem sich die Kehlkopfmuskulatur der Katze rhythmisch zusammenzieht. Für dieses feine, etwa 30-mal pro Sekunde stattfindende Zittern werde der Kehlkopf dauernd aktiv von Nervensystem angesteuert. 

Wenn Stimmlippen vibrieren, ertönt ein sanftes Schnurren

Nun hat ein Team um den österreichischen Stimmforscher Christian T. Herbst Erkenntnisse gewonnen, die dieser Theorie widersprechen. Die Forschenden verwendeten dafür Kehlköpfe von acht Hauskatzen: Die Tiere waren aus gesundheitlichen Gründen eingeschläfert worden, ihre Besitzer*innen hatten zugestimmt, dass die Katzenkehlköpfe herauspräpariert, in Plexiglasröhren eingespannt und mit warmer, feuchter Luft durchströmt wurden.

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Dabei erklangen – ganz ohne Muskelaktivität – Schnurrgeräusche. Ihre typische tiefe Tonlage erklärt sich wahrscheinlich durch spezielle Gewebepolster in den Stimmlippen von Katzen. Sie waren Forschenden schon früher aufgefallen, bislang konnten sie allerdings keiner speziellen Funktion zugeordnet werden.

Zumindest für den Grundton des Schnurrens braucht es also kein Muskelzittern im Kehlkopf. Stattdessen kann er entstehen wie fast alle anderen Laute im Reich der Säugetiere, bis hin zur menschlichen Sprache: Die Muskeln im Kehlkopf öffnen oder schließen die Stimmlippen passend zum angestrebten Ton. Das Lebewesen lässt Atemluft durch den Kehlkopf strömen, die Stimmlippen vibrieren ohne weiteren Input. Erst wenn eine neue Tonhöhe gewünscht ist, müssen sie verstellt werden.

Stimmforscher Herbst schließt nicht aus, dass Katzen ihre Schnurrtöne zusätzlich noch durch Muskelaktivität modulieren. Schließlich ist das Schnurren kein reiner Laut des Behagens, sondern eine komplexe Lautäußerung, mit der die Tiere sich untereinander verständigen. 

Mit dem banalen menschlichen Schnarchen, das in seiner harmloseren Variante bekanntlich schnurrend klingen kann, hat der typische Katzenton wenig zu tun. Schnarchlaute werden zwar ebenfalls von der strömenden Atemluft angetrieben. Doch hier schwingen meist nicht die Stimmlippen, sondern übermäßig gelockertes Gewebe des weichen Gaumens und des Zungengrunds.