"Wir haben Massentierhaltung satt", skandierten am vergangenen Wochenende Tausende Menschen auf den Straßen Berlins. Ein buntes Bündnis aus Umwelt-, Tier, und Verbraucherschutzorganisationen demonstrierte gegen Tierquälerei in Mega-Mastställen und -Schlachthöfen, gegen Nitrat im Grundwasser und Ammoniak in der Luft. Und für eine faire, umwelt- und tierschonende, zukunftsfähige Landwirtschaft.
Denn obwohl der Fleischkonsum in Deutschland leicht rückläufig ist und immer mehr Menschen auf Bio-Produkte umsteigen, ist der Trend zur Massenproduktion ungebrochen. Und damit der Trend zu immer weniger, immer größeren Mastanlagen und Schlachthöfen. Das zeigt der neue Fleischatlas 2016 vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Heinrich-Böll-Stiftung.
Das Höfesterben geht weiter
"In den letzten 15 Jahren mussten bis zu 80 Prozent der Betriebe beziehungsweise Bauernhöfe die Tierhaltung aufgeben, während gleichzeitig bundesweit bis zu 50 Prozent mehr Fleisch produziert wird", kommentiert Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung. Höfesterben und Industrialisierung der Produktion in der Rinder- und Schweinezucht schreiten demnach vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen ungebremst voran. Besonders kritisch: das starke Wachstum gerade in denjenigen Regionen, in denen ohnehin schon überdurchschnittlich viele Tiere gemästet werden.
So wurden zwischen 2013 und 2014 im Landkreis Vechta 87.000 zusätzliche Schweinemastplätze genehmigt. Dabei produzieren hier 800 Schweinemäster schon jetzt mehr Tiere als in ganz Schleswig-Holstein oder Hessen. "Die Bundesregierung und insbesondere Bundesagrarminister Christian Schmidt müssen endlich gegensteuern und den Irrsinn von Massenproduktion, Export und der Maximierung von Profiten beenden. Nur dann können bessere Tier- und Naturschutzstandards gewährleistet werden", sagt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.
Der Protest zeigt Wirkung
Doch - und auch das zeigt der Fleischatlas - Agrarpolitiker und Fleischindustrie geraten von Seiten einer kritischen Öffentlichkeit unter Druck. So wurde in Sachsen-Anhalt einem der größten Schweinehalter Deutschlands die Tierhaltungs-Erlaubnis entzogen, nachdem gravierende Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bekannt geworden waren. Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben das Schnabelkürzen ab 2017 verboten - und Nordrhein-Westfalen das Kürzen der Ringelschwänze bei Schweinen. Und jüngst haben mehr als 100.000 Brandenburger Bürger ein Volksbegehren gegen die Massentierhaltung unterzeichnet. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, nur noch Betriebe mit art- und tiergerechter Haltung zu fördern.
Publikationen wie der Fleischatlas tragen offenbar auch dazu bei, dass immer mehr Menschen ihr Konsumverhalten überdenken. Nach einer Umfrage des Landwirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2015 sind immerhin 80 Prozent der Bürger bereit, für mehr Tierwohl einen Aufpreis zu zahlen.
Zum Download: "Fleischatlas Deutschland Regional 2016"
Interaktive Karte: Geplante Tiermastanlagen in Deutschland