15 Jahre nach Fukushima Weltgrößtes Atomkraftwerk soll in Japan wieder in Betrieb gehen

  • von Josefine Rein
Das japanische Atomkraftwerk an der Küste von Kashiwazaki
An der Küste von Kashiwazaki auf der japanischen Hauptinsel Honshū betreibt der Energiekonzern Tepco das weltweit größte Atomkraftwerk. Nach der Katastrophe in Fukushima 2011 wurde es stillgelegt
© Issei Kato / REUTERS
Der Betreiber der Fukushima-Reaktoren geht wieder ans Netz, mit dem größten Atomkraftwerk der Welt. Ein Schritt, der Japans Energiesorgen lindern, aber alte Ängste neu entfachen könnte
 

15 Jahre nach der Atomkatastrophe in Fukushima, die Wälder, Böden und Flüsse verseuchte, will der Kraftwerkbetreiber Tepco Japan erneut mit Atomstrom versorgen. In Kashiwazaki-Kariwa plant der Konzern, das weltweit größte Atomkraftwerk wieder ans Netz zu bringen. Das Parlament der Präfektur Niigata genehmigte nun die Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks Kashiwazaki-Kariwa am Japanischen Meer. Nach dem Super-GAU in Fukushima im Jahr 2011 infolge eines schweren Erdbebens und gewaltigen Tsunamis waren in Japan alle 54 Reaktoren im Land abgeschaltet, einschließlich derer in Kashiwazaki-Kariwa.  

Seitdem hat Japan 14 der 33 noch betriebsfähigen Atomreaktoren wieder ans Netz genommen. Aktuell kommen wieder etwa zehn Prozent des japanischen Stroms aus Atomkraft. Bis 2030 soll der Anteil auf bis zu 22 Prozent steigen. Die Regierung von Ministerpräsidentin Sanae Takaichi setzt auf Atomkraft, um die Energieversorgung ihres Landes zu sichern. Der Druck ist hoch: 60 bis 70 Prozent des Stroms stammen derzeit aus importierten fossilen Brennstoffen, deren Preise seit dem Beginn des Ukraine-Krieges steigen. Die Importe befeuern seither die Inflation und schwächen damit die regierende Liberaldemokratische Partei. 

Kashiwazaki-Kariwa wird nun das erste Atomkraftwerk des Betreibers Tokyo Electric Power Company (Tepco) sein - jener Konzern, der das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi betrieb. Tepco drängte seit langer Zeit darauf, eigene Atomreaktoren wieder hochfahren zu dürfen, um die hohen Importkosten für ersatzweise betriebene Wärmekraftwerke zu senken.

 

Auch die Präfektur Niigata hofft wirtschaftlich von Subventionen und Steuereinnahmen durch das Kraftwerk zu profitieren. Trotz der Aussicht auf neue Arbeitsplätze und sinkende Strompreise bleibt die Inbetriebnahme im Parlament jedoch umstritten. Ein Oppositionsabgeordneter sprach von einer "politischen Einigung, die den Willen der Bevölkerung von Niigata ignoriert".

Rund 300 Demonstrierende versammelten sich gegen die Wiederinbetriebnahme vor dem Parlament. Sie trugen Transparente mit den Aufschriften "Keine Atomenergie", "Wir lehnen den Neustart von Kashiwazaki-Kariwa ab" und "Unterstützt Fukushima". Sie hegen Zweifel am Urteil der japanischen Atomaufsicht. Nach Angaben der Behörde erfüllte Tepco die nach Fukushima verschärften Sicherheitsauflagen. 2017 erklärte sie die Reaktoren 6 und 7 in Kashiwazaki-Kariwa für sicher. 

Das Misstrauen der Bevölkerung nach den Erlebnissen in Fukushima sitzt tief. Über 150 000 Menschen verloren ihr Zuhause, ihre Gemeinschaften und ihre berufliche Existenz. Die Kontamination der Region zerstörte Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus. Die Entsorgungsarbeiten nach der Katastrophe werden voraussichtlich noch bis nach 2050 andauern. Etwa 93 Milliarden Euro kostete das Tepco bereits. Seit Jahren verzeichnet das Unternehmen deshalb eine negative Bilanz. 

Der Neustart in Niigata ist also entscheidend für die wirtschaftliche Stabilität des Konzerns. Die Wiederinbetriebnahme eines Reaktors könnte den Jahreshaushalt um rund 579 Millionen Euro entlasten. Mit der jetzt erfolgten abschließenden Zustimmung durch die Präfektur, so lokale Medien, dürfte der Reaktorblock 6 in Kashiwazaki-Kariwa voraussichtlich im nächsten Monat wieder in Betrieb gehen.

Mit Material der dpa