So etwas gab es noch nie: Forscherinnen und Forscher aus insgesamt 25 Bundesbehörden und -institutionen haben das aktuelle Wissen um den Klimawandel in Deutschland zusammengetragen – um zukünftige Risiken und Bedrohungen wie Hochwasserkatastrophen oder Dürren besser abschätzen zu können. Das Ergebnis der Klimawirkungs- und Risikoanalyse (KWRA) des Bundes ist aufrüttelnd: Bei einem ungebremsten Klimawandel, so die Autorinnen und Autoren, wird ganz Deutschland bis zum Ende des Jahrhunderts zu einem "Risiko-Hotspot".
Demnach sind die natürlichen Lebensgrundlagen, Böden, Wälder und Gewässer, durch Temperaturerhöhung und Trockenheit besonders bedroht. Landwirtschaftliche Anbauregionen verschieben sich, neue Schädlinge treten auf. Wild lebende Tier- und Pflanzenarten, die sich nicht mehr anpassen können, sind vom Aussterben bedroht.
Hitzewellen werden "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" häufiger auftreten – und länger dauern. Weil Pollen länger fliegen, werden Allergien zunehmen, die Luftqualität wird schlechter. Auch die Gefahr von Starkregenereignissen nimmt zu. Menschen, Gebäude und Infrastruktur sind in Gefahr; von den Auswirkungen des Klimawandels in anderen Ländern wird auch die deutsche Wirtschaft betroffen sein.
Große Unterschiede innerhalb Deutschlands
Dabei gibt es innerhalb Deutschlands große Unterschiede. Zwar sind heute nur wenige Regionen durch Hitze, Starkregen oder Trockenheit betroffen – in Zukunft werden es der Studie zufolge aber "sehr viel mehr" sein. Besonders problematisch: In manchen Gegenden werden sich "eine Vielzahl klimatischer Extremwerte und/oder hohe Klimaveränderungen überlagern". Das könnte die Anpassungsfähigkeit von langsam reagierenden Systemen wie Wäldern oder Mooren überfordern.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Im Vergleich zu heute wird sich das Klima im Süden und im Westen am stärksten verändern.
- Klimatische Extreme werden im Südwesten und im Osten am häufigsten auftreten.
- An den Küsten werden die Gefahren durch den Meeresspiegelanstieg in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts "deutlich zunehmen".
- Bei einem ungebremsten Klimawandel wird bis zum Ende des Jahrhunderts ganz Deutschland ein Risiko-Hotspot.
Die Expertinnen und Experten haben ihre Risiko-Prognosen bis zur Mitte und bis zum Ende des Jahrhunderts auf der Grundlage von zwei Szenarien entworfen: einem "pessimistischen Fall" mit einer Erwärmung um drei Grad Celsius. Und einem optimistischen Fall, der "nur" zu einer Erwärmung von 2,4 Grad Celsius gegenüber frühindustriellen Zeiten führt.
Neben insgesamt 100 Wirkungen des Klimawandels und deren Wechselwirkungen deckt der Report auch dringenden Handlungsbedarf bei der Klimaanpassung auf. "Wir müssen jetzt handeln", sagte der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner. Hochwasser- und Küstenschutz müssten konsequent umgesetzt werden, Auen renaturiert werden. Auch Städte und Infrastruktur müssten an die neuen Herausforderungen angepasst werden: "Wir müssen asphaltierte Flächen verkleinern oder mit wasserdurchlässigen Baustoffen ersetzen, Freiflächen und Begrünung schaffen und den Flächenverbrauch so schnell wie möglich reduzieren", sagte Messner bei der Vorstellung des Berichts. "Viele dieser Anpassungsmaßnahmen stärken nicht nur die Ökosysteme, sondern verbessern zugleich die Lebensqualität und die Gesundheit der Menschen."