In diesem Sommer sind in der Ostsee erneut massive Blaualgenblüten zu beobachten – Satellitenaufnahmen aus den letzten Jahren belegen das Ausmaß, recherchiert von NDR Data. Besonders eindrucksvoll sind die im Sommer 2025 entstandenen Satellitenbilder des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus– ein Programm der Europäischen Union, der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und der Europäischen Organisation für die Nutzung Meteorologischer Satelliten (EUMETSAT). Die hochauflösenden Satellitenbilder (wie das Bild oben) zeigen unter anderem den Greifswalder Bodden vor Rügen und Stralsund, wo sich ausgedehnte Algenteppiche gebildet haben. Solche blau-grün schimmernden Bänder auf dem Wasser sind typische Anzeichen für Cyanobakterien, umgangssprachlich Blaualgen genannt.
Schon länger kommt es immer wieder zu Blaualgen-Blüten in der Ostsee – und keinesfalls nur an der Küste, sondern auch im offenen Meer. Das zeigte bereits eine Studie der Universität Kiel im Jahr 2022, deren Ergebnisse im Fachjournal "Nature Scientific Reports" erschienen sind. Für ihre Untersuchung verwendeten Dr. Ulrike Löptien und Dr. Heiner Dietze, beide tätig im Bereich Archäoinformatik der Uni Kiel, zur Analyse und Vorhersage der Blaualgenblüten hochaufgelöste Modelle von Meeresströmungen in der Ostsee. Diese kombinierten sie mit Satellitendaten und Nährstoffmessungen in Wasserproben. Dadurch ließ sich der Ursprung der Blüten zurückverfolgen und Parameter ableiten, die für deren Entstehung relevant sind. "Es ist überraschend, dass die Ergebnisse so eindeutig darauf hinweisen, dass sich die Blüten in der offenen Ostsee bilden", so Löptien in einer Mitteilung der Universität.
Blaualgen: Ein wachsendes Problem
Die Blaualgenblüte stellt in der Ostsee ein wachsendes ökologisches Problem dar, das sich in den letzten Jahren nachweislich verstärkt hat. Insbesondere in den warmen Sommerwochen entstehen regelmäßig massenhafte Blaualgenblüten, die mittlerweile großflächige Algenteppiche bilden. Bei Wassertemperaturen ab etwa 16 bis 18 Grad Celsius bilden sich Massenvorkommen dieser Blaualgen, die sich bei ruhiger Wetterlage an der Wasseroberfläche anreichern.
Bei auflandigem nördlichen bis östlichen Winden besteht dann zudem die Gefahr, dass sich die Algenteppiche in Richtung der Küsten und Häfen an der deutschen Ostseeküste bewegen und bei Erreichen die Küstengebiete zusätzlich durch absterbendes Pflanzenmaterial und Fäulnis-Prozesse verunreinigen.
Ein Teufelskreis in der Ostsee
Immer häufiger und großflächiger auftretende Blaualgenblüten sind das Resultat eines regelrechten Teufelskreises: Jahrzehntelange Überdüngung durch Landwirtschaft, Industrie und Abwässer haben einen Überfluss an Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff in die Ostsee getragen. Die Nährstoffe bilden zusammen mit steigenden Wassertemperaturen beste Bedingungen für das Wachstum von Cyanobakterien.
Je wärmer das Wasser, desto schneller vermehren sich die Blaualgen. Die Klimakrise verschärft das Problem weiter: Milde Winter verhindern eine Durchmischung des Wassers, sodass Nährstoffe nicht verteilt oder abgebaut werden. Im Sommer sorgt dann eine stabile Schichtung des Wassers für optimale Bedingungen in den oberen, wärmeren Wasserschichten – Blaualgen gedeihen besonders gut bei Temperaturen ab etwa 16 Grad Celsius. Sterben die Algen dann ab, sinkt ihre Biomasse auf den Grund und wird dort von Bakterien zersetzt – unter Sauerstoffverbrauch. Die Folge: Im Tiefenwasser entstehen "Todeszonen", in denen kein Leben mehr möglich ist.
Das Problem dabei: Der Sauerstoffmangel reduziert die Abbaukapazität des Meeresbodens für überschüssige Nährstoffe. Stattdessen können diese wieder ins Wasser freigesetzt werden und stehen für eine neue Algenblüte zur Verfügung – der Kreislauf beginnt von vorn. Mit fortschreitendem Klimawandel und andauernder Nährstoffbelastung verstärkt sich dieser Effekt weiter.
Risiken für Mensch und Natur
Blaualgen sind nicht nur optisch ein Ärgernis, sie stellen auch ein ernstes Gesundheits- und Umweltproblem dar: Einige Arten produzieren Giftstoffe, die Cyanotoxine, die beim Baden Hautreizungen verursachen und bei Verschlucken Übelkeit und Durchfall auslösen können. Für Tiere, insbesondere Hunde, kann der Aufenthalt im und am Wasser dann lebensgefährlich sein. Zudem beeinträchtigen die Algenteppiche andere Wasserorganismen: Das Sonnenlicht gelangt schlechter in tiefere Schichten, heimische Algen oder Seegras leiden, und auch Fischpopulationen können abnehmen, wenn ihr Lebensraum zerstört wird.
Wer an der Ostsee Urlaub macht, sollte aktuelle Warnhinweise der Behörden beachten, besonders nach Starkregen- oder Hitzeperioden explodiert das Blaualgenwachstum regelrecht. Die Entwicklungen dieses Sommers sind laut Forschenden ein weiteres Warnsignal dafür, dass der Handlungsdruck für mehr Gewässerschutz und konsequente Klimapolitik steigt.