Amazon wächst und wächst. Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie konnte der Internetkonzern seine weltweit beherrschende Marktposition ausbauen. Doch zugleich wächst auch der Berg des Verpackungsmülls aus Pappe und Plastik. Vor allem die verwendeten Füllmaterialien aus Kunststoff bereiten Umwelt- und Meeresschützern zunehmend Sorgen.
Jetzt meldet die US-amerikanische Meeresschutzorganisation Oceana in einem aktuellen Report: Im Jahr 2019 – also noch vor der Corona-Pandemie – hat der Online-Händler etwa sieben Milliarden Pakete in alle Welt verschickt, zusammen mit hochgerechnet 211 Millionen Kilogramm Plastikfolien, -beuteln und -luftkissen. Und ein Teil davon landet, weil er nicht fachgerecht entsorgt oder recycelt wird, im Meer. Im Jahr 2019 gelangten demnach bis zu 10,18 Millionen Kilogramm Amazon-Plastikmüll in die Ozeane der Welt. Das entspricht einer LKW-Ladung alle 70 Minuten.
Der Grund: In vielen Ländern der Erde gibt es kaum fachgerechte Mülltrennung und -entsorgung. Über wilde Mülldeponien, Bäche und Flüsse gelangen Plastikfolien und Mikroplastik in die Ozeane. Und bleiben dort teilweise für Jahrhunderte, weil sich Kunststoffe im Salzwasser nur sehr langsam zersetzen. Tiere entlang der gesamten Nahrungskette – darunter Wale, Meeresschildkröten und Seevögel – verenden jedes Jahr, weil sie Plastikteile für Nahrung gehalten oder sich darin verfangen haben.
Eine LKW-Ladung Plastikmüll alle 70 Minuten
Für ihre Hochrechnungen kombinierten die Meeresschützer E-Commerce-Daten mit den Ergebnissen einer kürzlich im Magazin Science veröffentlichten Studie zum weltweit wachsenden Plastikmüll-Aufkommen.
Oceana kritisiert den Online-Händler dafür, dass er sogar verstärkt auf den Einsatz so genannter flexibler Verpackungen setze – und das auch noch mit Klimaschutz begründet. Zudem werde der PE-Kunststoff, der in den meisten Verpackungsmaterialien Verwendung finde, zumindest in den USA, Großbritannien und Kanada kaum recycelt.
In Deutschland werden im Gelben Sack, beziehungsweise in der Gelben Tonne, zwar Kunststoffabfälle getrennt gesammelt. Doch auch hierzulande werden laut dem Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung nur etwa 17 Prozent der Kunststoffabfälle zu Rezyklat verarbeitet. Der Rest wird in Müllheizkraftwerken verbrannt oder ins Ausland exportiert.
Klimaschutz konterkariert Ozeanschutz
Die Plastikflut, auf die Oceana aufmerksam macht, steht im Widerspruch zur grünen Firmenstrategie von Amazon. Erst kürzlich wählte Firmengründer Jeff Bezos die ersten Empfänger seines mit zehn Milliarden Dollar ausgestatteten "Earth Funds" aus.
Dabei wollen Amazon-Kunden, das ergab eine Umfrage in den USA, Großbritannien und Kanada im Auftrag von Oceana, mehrheitlich weniger Verpackungsmüll. 86 Prozent aller Befragten machen sich auch allgemein Sorgen über Plastikmüll in den Ozeanen und in der Umwelt.
„Es ist höchste Zeit, dass Amazon auf seine Kunden hört, die laut jüngsten Umfragen plastikfreie Lieferungen wollen“, sagte Matt Littlejohn, Senior Vice President von Oceana. „Amazon muss sich verpflichten, seinen enormen Plastik-Fußabdruck zu verkleinern."
Ein Amazon-Sprecher kommentierte umgehend: "Wir teilen das Bestreben von Oceana, die Weltmeere zu schützen und wiederherzustellen, und wir unterstützen die reduzierte Verwendung von Plastik. Allerdings hat Oceana Amazons Plastikverbrauch drastisch falsch berechnet und um mehr als 350 Prozent zu hoch angegeben – wir verwenden etwa ein Viertel der in Oceanas Bericht geschätzten Menge an Plastikverpackungen."
Amazon erzielte im Jahr 2019 vor allem mit dem Online-Handel und Internet-Dienstleistungen weltweit einen Umsatz von umgerechnet rund 230 Milliarden Euro, knapp 20 Milliarden Euro davon in Deutschland.
Der Bericht wurde am 15.12.2020, 17:15 Uhr um eine Stellungnahme von Amazon ergänzt.