Ein Buch sollte man nicht nach seinem Einband beurteilen, sagte man schon im 19. Jahrhundert. Dass das ähnlich auch für Pflanzen gilt, dafür liefert jetzt eine Studie unter anderem der Universität Bayreuth den Beweis. Denn wenn oben Blätter sprießen, können unten für die Wurzeln schlechte Zeiten herrschen – und umgekehrt.
Die Forschenden wollten herausfinden, wie die oberen, sichtbaren, und die unterirdisch verborgenen Pflanzenteile auf unterschiedliche Bedingungen reagieren. Um Auswirkungen etwa von Dürre, Starkregen oder Agrardünger auf Bäume und Gräser einzuschätzen, wurde bisher oft "vom oberirdischen Pflanzenteil – dem Spross – auf die ganze Pflanze geschlossen", heißt es von der Pressestelle der Universität. Die Ergebnisse zeigen jedoch etwas anderes.
Für ihr Experiment steckten die Forschenden ihre Versuchsobjekte in die Folterkammer, genauer: in ein multifaktorielles Gewächshaus, in dem sich die Wachstumsbedingungen, also Nährstoffe und Wasser, genau kontrollieren lassen. Darin bauten die Forschenden getrennt oder gemeinsam Sauerampfer und Spitzwegerich an – beides Dauergäste auf deutschen Böden. Und ließen sie dürsten oder düngten sie mal zu viel, mal zu wenig.
Dabei zeigte sich, dass oberirdische und unterirdische Pflanzenteile ganz unterschiedlich auf die Bedingungen reagieren. "Vor allem Nährstoffmangel führt dazu, dass die Pflanzen verstärkt in die Wurzelentwicklung investieren", sagt Lena Muffler-Weigel, Leitende Direktorin des Ökologisch-Botanischen Gartens in Bayreuth. Bei Knappheit reagieren die unterirdischen Pflanzenteile also aktiv, um die geringe Aufnahme aus dem Boden auszugleichen. Dagegen wird obenrum gespart, wenn es unten an Nährstoffen fehlt, wie die Forschenden an Sprossmerkmalen wie der Blattgröße ablesen konnten.
Sind dagegen zu viele Nährstoffe vorhanden, fahren die Wurzeln ihre Aktivität zurück. Das kann eine schwerwiegende Folge haben: Steht gleichzeitig wenig Wasser zur Verfügung, kann die Pflanze die Trockenheit nicht mit stärkerer Wurzelbildung ausgleichen. Pflanzen leiden immer häufiger unter lang anhaltender Dürre – aber ebenso unter Überdüngung durch die Landwirtschaft. Beides zusammen verstärkt die negativen Effekte also noch.
Gerade haben die Forschenden ihr Experiment im Fachjournal "Plant & Soil" veröffentlicht. Ihre Hoffnung: dass zukünftige Untersuchungen Ergebnisse zum Spross nicht einfach auf die Wurzeln übertragen. Schließlich reagieren diese extrem sensibel auf veränderte Bedingungen. So können sie helfen zu verstehen, was mit unseren Pflanzen durch menschliche Eingriffe und den Klimawandel passiert. Nicht nur denen in der Natur, sondern auch auf dem Feld.