Auf der A7 bei Hamburg befinden sich Personen auf der Fahrbahn! Wenn Autofahrer heutzutage diese Meldung im Radio hören, dann gilt absolute Vorsicht. Im Dezember 1974 war das dagegen von den Behörden genauso gewollt. Anlässlich der Fertigstellung des neuen Elbtunnels durften Hunderttausende Besucherinnen und Besucher das 3,3 Kilometer lange Bauwerk zwischen Weihnachten und Neujahr zu Fuß erkunden.
Mehr noch: Bei den "tollen Tunneltagen", wie die Presse sie damals nannte, wurde ein regelrechtes Volksfest in den drei Röhren und an den Eingängen veranstaltet. Buden, wie Hamburger sie von ihrem "Dom" kennen, sorgten fürs Essen; Jazzbands, Popgruppen und Spielmannszüge für die Musik, denn es war ausdrücklich erwünscht, den Tunnel nach altem Brauch "einzutanzen". Wer wollte, konnte sich für den Preis von einer Mark eine eigens produzierte Erinnerungsmedaille kaufen.
Grund zur Freude gab es genug: Der rund 500 Millionen Mark teure Tunnel erlöste die Hamburger nicht nur von einem Großteil des nervigen Durchgangsverkehrs, er brachte auch Reisenden eine Zeitersparnis von bis zu einer Stunde. Nicht zuletzt besaß der Bau eine gesamteuropäische Dimension, schloss er doch die letzte Lücke in eine Straßenverbindung, die von Stockholm bis Lissabon reicht.
Für den Autoverkehr geöffnet wurde der Neue Elbtunnel rund zwei Wochen nach dem Volksfest unter Wasser: Am 10. Januar 1975 gab der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt grünes Licht – und erzählte bei dieser Gelegenheit einen typischen Hamburger Hein-und-Fiete-Witz. Die zwei Originale hätten sich ebenfalls um den Tunnelbau beworben, wobei jeder auf einem Ufer anfangen wolle. Auf die Frage eines Beamten, ob sie sich denn wirklich in der Elbmitte treffen würden, antworten die beiden: "Och, das lassen Sie mal unsere Sorge sein, da brauchen Sie sich nichtdrum zu kümmern. Kann Ihnen ja auch egal sein, wenn wir uns nicht treffen, haben Sie eben zwei Tunnel."
Tatsächlich war bald klar, dass die Kapazität des auf rund 70000 Fahrzeuge pro Tag ausgelegten Bauwerks nicht ausreicht. Deshalb wurde 2002 eine vierte Röhre eröffnet. Anders als die Fußgänger aus dem Dezember 1974 würdigen die meisten Autofahrenden, die hier heute hindurchdonnern, den Elbtunnel kaum noch eines Blickes – es sei denn, sie stehen im Stau. Den gibt es am "Nadelöhr des Nordens" leider allzu oft.