Juli 1985 Ein Bild und seine Geschichte: Als Frankreich Bomben gegen Greenpeace einsetzte

Mann schaut aus Loch im beschädigten Schiff "Rainbow Warrior"
Am Abend des 10. Juli 1985 reißt eine Bombe ein Loch in die untere Schiffswand der "Rainbow Warrior", die im Hafen von Auckland ankert. Am Folgetag stellen Besatzung und neuseeländische Spezialeinheiten die Schäden fest
© Keith Scott / Truth / Greenpeace
Vor 40 Jahren versenkten zwei Bomben das Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior". Hinter dem Anschlag steckte niemand Geringeres als die Atommacht Frankreich. Ein Skandal mit Folgen

Das Loch, das in der Schiffswand klafft, ist so groß wie ein Auto. Die stählernen Planken: zerfetzt und verbogen. Ein Mann blickt aus dem nun freiliegenden Maschinenraum. Nichts anderes übrig bleibt ihm, als die Zerstörung zu begutachten.

Die "Rainbow Warrior", das Flaggschiff von Greenpeace, ist ein Totalschaden. Zwei Bomben sind in der Nacht des 10. Juli 1985 explodiert, als das Schiff im Hafen von Auckland, Neuseeland, ankerte. Der Anschlag erschüttert nicht nur die Umweltorganisation, er ist ein Skandal: Denn verantwortlich ist der französische Geheimdienst. Frankreich, die Atommacht, setzt Bomben gegen Naturschützer ein – mit tödlichen Folgen.

Die "Rainbow Warrior" ist das Flaggschiff von Greenpeace

Im Jahr 1985 ist die "Rainbow Warrior" bereits seit sieben Jahren für Greenpeace im Einsatz. Das 44 Meter lange Schiff mit der weißen Friedenstaube am Bug und den bunten Regenbogenstreifen an der Außenhaut macht immer wieder Schlagzeilen – bei spektakulären Protestaktionen gegen die Robbenjagd, Treibnetzfischerei und illegalen Walfang. 

Im März 1985 legt das Schiff mit seiner 15-köpfigen Besatzung in Florida ab und steuert zunächst das Rongelap-Atoll im Pazifik an: Seit US-Atomtests im benachbarten Bikini-Atoll ist die Inselgruppe strahlenverseucht. Die Greenpeace-Aktivisten evakuieren die rund 300 Einwohnerinnen und Einwohner auf eine Nachbarinsel und erreichen am 7. Juli das neuseeländische Auckland. Von hier aus wollen sie in die militärische Sperrzone um das nordöstlich gelegene Mururoa-Atoll eindringen, um französische Atomwaffentests zu stören. Mururoa gehört zu Französisch-Polynesien, seit 1966 führt Frankreich hier nukleare Tests durch, zunächst oberirdisch, seit 1974 unter der Erde. Die "Rainbow Warrior" wird allerdings nie an dem Atoll ankommen.

Als das Schiff im Hafen von Auckland ankert, detoniert am 10. Juli um 23.38 Uhr eine Bombe an der äußeren Schiffswand auf Höhe des Maschinenraums. Wasser dringt ins Innere ein, das Schiff neigt sich bedrohlich zur Seite, die Crew-Mitglieder hasten in Panik aus ihren Kabinen auf den Hafenanleger. Einer jedoch kehrt noch einmal um: Der portugiesische Fotograf Fernando Pereira will seine Kameraausrüstung retten. Da explodiert eine zweite Bombe. Pereira, 35 Jahre alt und zweifacher Vater, ertrinkt im Bauch des Schiffes. 

Schnell überführt eine neuseeländische Sonderkommission die Drahtzieher des Anschlags: Kampftaucher des französischen Geheimdiensts hatten mit Zeitzündern versehene Minen an der "Rainbow Warrior" angebracht. 

Frankreich setzt seine Atomtests im Pazifik zunächst fort

Zunächst streitet die französische Regierung jede Beteiligung ab, im September jedoch muss Premierminister Laurent Fabius zugeben: "Die Wahrheit ist grausam. Agenten des französischen Geheimdienstes haben dieses Schiff versenkt. Sie handelten befehlsgemäß." 

Schiff "Rainbow Warrior" liegt schräg im Wasser
Die weiße Friedenstaube am Rumpf der "Rainbow Warrior" lugt nach dem Anschlag nur noch knapp aus dem Wasser. Das Schiff ist ein Totalschaden
© TT / imago images

Zwar treten der Verteidigungsminister und der Geheimdienstchef zurück, Staatspräsident François Mitterrand kann sich jedoch im Amt halten. (In seinen Memoiren wird der Geheimdienstchef später schreiben, Mitterand habe seine Zustimmung zu dem Anschlag erteilt.) Zwei der beteiligten Agenten werden in Neuseeland zu Gefängnisstrafen verurteilt, kommen aber auf Druck Frankreichs schnell wieder frei und erhalten in der Heimat Verdienstorden.

Greenpeace verliert sein Flaggschiff – und gewinnt doch: Der Angriff der Atommacht auf eine damals kleine Umweltorganisation beschert den Aktivisten Spenden, Sympathien und Zulauf in der ganzen Welt. Auch bedeutet der Untergang der "Rainbow Warrior" keineswegs das Ende der Greenpeace-Aktionen gegen französische Atomtests im Pazifik: Die "Rainbow Warrior II", Nachfolgerin des versenkten Schiffs, unternimmt ebenfalls Protestfahrten in den Südpazifik. 1996 gibt Frankreich seine Nuklearversuche auf Mururoa schließlich auf – nach knapp 200 atomaren Tests.