2500 Jahre alt Neue Technik enthüllt prähistorische Tattoos auf sibirischer Mumie

Mumie
3-D-Modell einer weiblichen Mumie aus der Pazyryk-Kultur. Die obere Abbildung wurde mit klassischer Fotografie erstellt, die untere durch Infrarot-Bildtechnik
© M. Vavulin / Cambridge University
Eine neue Studie macht prähistorische Tattoos in bislang unerreichter Detailschärfe sichtbar. Die Bilder legen nahe: Schon in der Antike gab es gute Tattookünstler – und schlechte

Farbe unter die Haut zu bringen ist an sich nicht schwer: Es braucht Tinte und eine Nadel. Der Unterschied zwischen dem Werk begabter Tätowiererinnen und Laien zeigt sich oft erst Jahre später. Schlecht gestochenen Tattoos laufen dann aus, die Linien verwaschen. Professionelle Werke sind auch nach langer Zeit noch scharf und detailliert.

Eine Studie zeigt nun: Die Wahl des richtigen Tattoo-Artists ist wohl noch wichtiger als gedacht. Selbst nach 2500 Jahren lässt sich noch erkennen, wie talentiert er oder sie war. Ein internationales Forscherteam um den Archäologen Gino Caspari hat dafür die Tattoos einer sibirischen Mumie sichtbar gemacht – so detailliert wie noch nie zuvor. Das Ergebnis: Tätowieren war wohl in der prähistorischen Gesellschaft eine ähnliche Handwerkskunst wie heute. Mit guten und schlechten Künstlern.

Tattoos waren in prähistorischen Kulturen weit verbreitet

Die Frau, deren Mumie das Team um Caspari untersuchte, gehörte zum nomadischen Reitervolk der Pazyryk, das einst in der weiten Steppe zwischen China und Europa lebte. Forschende hatten schon in den frühen 1990er-Jahren mehrere Gräber entdeckt, zum Teil eingeschlossen im Permafrostboden. Die Kälte und der fehlende Sauerstoff hatten die Körper so gut konserviert, dass selbst kleinste Ritzer in ihrer Haut noch erhalten sind. Schon lange weiß man deshalb, dass wohl die meisten Angehörigen der Pazyryk tätowiert waren. 

Mithilfe neu verfügbarer, hochauflösender Infrarot-Fotografie untersuchte das Team um Caspari nun eine der Mumien erneut – die Frau war zum Zeitpunkt ihres Todes etwa 50 Jahre alt. Anhand des äußerst feinen 3-D-Modells, das so entstand, konnten die Forschenden nicht nur die Motive ihrer Tattoos in bisher unerreichter Detailtiefe sichtbar machen. "Wir konnten auch rekonstruieren, wie sie hergestellt wurden", so Caspari. Das Team konnte Rückschlüsse auf die verwendeten Werkzeuge ziehen – und das Können desjenigen, der sie gebrauchte.

Tatoo auf dem Arm
Feine Hautverletzungen durch eine Nadel, sichtbar gemacht mittels Infrarot im Submillimeterbereich
© G. Caspari & M. Vavulin / Cambridge University

Die Hände der Frau waren mit mehreren kleinen Motiven wie Vögeln und Symbolen bedeckt. Ihre Oberarme dagegen zeigten komplexe Szenen wie Hirsche, die von Leoparden gejagt werden, von Tigern und sogar einem greifartigem Wesen mit Adlerkopf und Löwenkörper. Es sind typische Motive aus der Pazyryk-Kultur, so Caspari. Das Tattoo auf dem rechten Arm, stellten die Forschenden fest, war filigran und technisch anspruchsvoll gestochen. Das linke hingegen war deutlich simpler und weniger kunstvoll. Offenbar, so schlussfolgern sie, waren unterschiedlich begabte Tätowierende beteiligt.

Zeichnungen der Tatoos
Rekunstruierte Tattoos: oben das Original, unten das durch den an der Studie beteiligten Tätowierer interpretierte Motiv
© D. Riday / Cambridge University

Während manche Linien offenbar von einem Werkzeug mit einer einzigen Spitze gestochen wurden, weisen andere auf die Verwendung einer mehrspitzigen Nadel hin. Die Forschenden berufen sich dabei auch auf Selbstexperimente eines Tätowierers der Gegenwart, der verschiedene Techniken ausprobierte, um zu verstehen, wie antike Tattoos entstanden sein könnten.

Tattoos waren, so vermuten Forschende, ein essenzieller Teil vieler prähistorischer Kulturen. Der bekannteste Beleg dafür ist wohl Ötzi, die Mumie aus den Ötztaler Alpen: Der Mann trug 61 Tätowierungen auf der Haut. Auch in Südamerika oder Ägypten fanden Forschende Farbe in der Haut konservierter Leichen. Die älteste nachgewiesene Tätowierung auf einem menschlichen Körper ist 5300 Jahre alt.