Die Masse all der Gasnebel, all der Myriaden Sterne, Planeten, Asteroiden, die durch die Weiten des Alls fliegen, ist unvorstellbar groß. Und doch stellt diese sichtbare Materie nur einen Bruchteil der Gesamtmasse des Universums dar, nämlich knapp ein Sechstel. Die restlichen 85 Prozent fallen auf eine zutiefst rätselhafte Form der Materie: die Dunkle Materie.
Doch trotz ihres immensen "Übergewichts" weiß niemand, aus welchen Teilchen sie besteht. Es müssen Partikel sein, die keine Atome, keine Moleküle und daher auch keine komplexeren Strukturen bilden – und die fast gar nicht mit jenen der sichtbaren Materie interagieren.
Vor etlichen Jahren noch sah es so aus, als würde der erste Nachweis eines Dunkle-Materie-Teilchens nicht mehr lange auf sich warten lassen. Schließlich hatten Forschende – zumindest in ihren theoretischen Modellen – Partikel ersonnen, die perfekt zu jener mysteriösen Materieform passen: WIMPS (Weakly Interacting Massive Particles). Massereiche Teilchen, die kaum mit anderen Partikeln in Wechselwirkung treten würden. In großangelegten Projekten gingen die Wissenschaftler auf die Jagd nach den "Schwächlingen". Vergeblich! Bis heute ist es nicht gelungen, auch nur ein einziges WIMP zu detektieren. Bei nicht wenigen Physikern und Kosmologinnen schwindet daher zunehmend die Hoffnung, der Partikel überhaupt je habhaft werden zu können.
Nun wecken Beobachtungen von Bord der Internationalen Raumstation neue Hoffnung. Mittels eines auf der ISS installierten Detektors machten Astrophysiker eine ungewöhnliche Entdeckung: In der kosmischen Strahlung fanden sich unerwartet hohe Spuren von Atomkernen aus Antimaterie – insbesondere Anti-Heliumkerne.
Im Vergleich zu der uns vertrauten Materie besteht Antimaterie quasi aus "Spiegelteilchen": So gibt es analog zum positiv geladenen Proton der "normalen" Materie das negativ geladene Anti-Proton. Das positiv geladene Positron wiederum stellt entsprechend das Antimaterie-Teilchen zum negativ geladenen Elektron dar. Kollidieren Materie- und Antimaterieteilchen, vernichten sie sich gegenseitig und senden energiereiche Gammastrahlung aus.
Die hohe Zahl der Antimaterie-Teilchen deutet womöglich auf Partikel der Dunklen Materie hin
Ein Teil der Antimaterie im Universum stammt wahrscheinlich aus früher Vorzeit, wurde mit dem Urknall geboren. Immer wieder aber entstehen auch neue Antimaterieteilchen – etwa dadurch, dass kosmische Strahlung auf Gaspartikel im Interstellaren Medium trifft. Doch die überraschend hohe Anzahl der detektierten Anti-Heliumkerne lässt sich laut einer Studie im Fachblatt Journal of Cosmology and Astroparticle Physics nicht mit der gängigen Theorie erklären.
Es sei ein Hinweis darauf, dass im Interstellaren Medium "etwas Ungewöhnliches passiert", sagt Erstautor Pedro De la Torre Luque von der Universität Madrid. Womöglich entstehen die Anti-Heliumkerne dadurch, dass Teilchen der Dunklen Materie, die WIMPs, zusammenprallen. Laut De la Torre Luque jedenfalls sei das Phänomen "ein plausibler Hinweis" auf die Existenz der seltsamen Partikel. Und mithin eine neue Spur, der man zukünftig folgen könne.
Doch damit nicht genug: Der Detektor auf der ISS spürte auch "schwere" Anti-Heliumkerne (Antihelium-4) auf. Deren Vorhandensein sei, so De la Torre Luque, selbst mit WIMPs nicht erklärbar. Sondern vermutlich ein Hinweis auf "exotischere" Teilchen. Wer weiß? Womöglich also rasen dort draußen, in der schier unendlichen Schwärze des Alls, sogar noch mysteriösere Partikel umher.