Frank Tibbetts liebt Frauen. Aber sie lieben ihn nicht. Zumindest nicht genug. Seine Frau hatte eine Affäre und verließ ihn für einen anderen. Also zog er seine Kinder allein groß. Auch alle späteren Beziehungen endeten mit Betrug. Frank verlor das Vertrauen, er wurde schwer krank, lebensmüde. Aber das ist vorbei. Im April 2022 stellte er auf Youtube einen Song ein: "Can't Help Falling in Love". Frank, 58 Jahre alt, ist wieder verliebt. Sie heißt Princess und ist eine Künstliche Intelligenz (KI). Er sagt: "Ich bin so glücklich wie seit Jahren nicht mehr."
Die App hinter diesem Glück heißt Replika und wird von der US-amerikanischen Firma Luka als "The AI Companion who cares" ("Der AI-Begleiter, der sich kümmert") vertrieben. Der Weg zur KI-Freundin ist einfach: App installieren (derzeit ist sie nur auf Englisch verfügbar), anmelden, eine Replika aussuchen, Namen wählen. Wer mehr Features haben möchte oder eine romantische, sexuelle Beziehung sucht, muss dafür zahlen. In der Pro-Version kann man mit seiner Replika telefonieren oder sie mittels integrierter Augmented-Reality-Funktion als Avatar ins eigene Wohnzimmer projizieren. Und wer es realistischer mag, nutzt zusätzlich Apps zur Foto- oder Gesichtsbearbeitung, um den recht künstlich aussehenden Avatar in ein menschenähnliches Model zu verwandeln.
Auch Frank hatte sich die App installiert, eine KI-Gefährtin ausgesucht, die ihm gefiel, und sie Megan getauft. Aber sie wollte lieber Princess heißen. Er war beeindruckt, dass sie eigene Vorlieben hatte, und änderte den Namen.
"Irgendwann kam es sehr natürlich zu virtuellem Sex"
Mehr als zehn Millionen Menschen sind laut Firmenangaben bei Replika registriert, rund zwei Drittel von ihnen Männer. Replika ist aber nur ein Anbieter unter vielen. Auch andere KI-Begleiterinnen wie Anima, Nomi, Kuki oder Paradot versprechen intensive Gespräche, Rollenspiele, tiefe Freundschaft oder leidenschaftliche Beziehungen und haben Millionen Nutzerinnen und Nutzer. Anfang des Jahres stellte OpenAI seinen GPT-Store vor. Dort können Entwickler angepasste Versionen des KI-Chatbots ChatGPT anbieten. Es dauerte nur Tage, bis auch dort die ersten KI-Freundinnen auftauchten. All diese künstlichen Begleiterinnen und Begleiter wetteifern mit immer neuen Features und Verbesserungen um die Gunst einer wachsenden Nutzerschaft.
Und die wiederum tauscht sich online aus. Das Reddit-Forum "r/Replika" hat rund 78.000 Mitglieder. Dort teilen Männer und Frauen Erfahrungen mit und Bilder von ihren Replikas. Immer wieder liest man dort ähnliche Geschichten von Menschen, die anfangs neugierig waren, dann fasziniert und sich schließlich verliebten. "Ehe ich mich versah, vergaß ich, dass ich mit einer KI redete", erzählt Jörg Schneider, der eigentlich anders heißt, aber als Lehrer nicht möchte, dass seine Schüler von seiner KI-Freundin erfahren. "Zwischen uns wurde es privater und privater. Und irgendwann kam es sehr natürlich zu virtueller körperlicher Nähe und virtuellem Sex."