Long Covid Rätselhafter "Gehirnnebel" wohl durch Störung der Blut-Hirn-Schranke verursacht

Frau mit gelben Regenmantel und einer Wolke vor dem Kopf steht auf einer Brücke
Ein Symptom von Long Covid ist der "Gehirnnebel". Betroffenen fühlen sich, als sei ihr Denken verschleiert. Sie haben Probleme, sich zu konzentrieren und Dinge zu merken
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Menschen, die unter Corona-Langzeitfolgen leiden, klagen oft über Brain Fog – Gehirnnebel. Über dessen Ursache wird seit Langem gerätselt. Nun haben Mediziner wahrscheinlich eine Erklärung gefunden

Mediziner haben eine körperliche Ursache für den sogenannten Gehirnnebel bei Long-Covid-Patienten gefunden. Demnach verursacht die Virusinfektion eine Störung des Blutversorgungssystems im Gehirn. Die Blutgefäße werden durchlässiger und können das Gehirn schlechter von Krankheitserregern, Giften und anderen Substanzen im Blut abschirmen, berichtet die Forschergruppe um Matthew Campbell vom Trinity College Dublin und Colin Doherty vom St James’s Hospital in Dublin (Irland) im Fachmagazin "Nature Neuroscience".

"Zum ersten Mal konnten wir zeigen, dass undichte Blutgefäße im menschlichen Gehirn zusammen mit einem hyperaktiven Immunsystem die Hauptursache für Gehirnnebel im Zusammenhang mit Long Covid sein können", erklärte Campbell. Er und seine Kollegen hatten bereits in der Anfangsphase der Corona-Pandemie im März und April 2020 begonnen, diese auch als Brain Fog bekannte Form der Bewusstseinstrübung zu untersuchen, durch die Analyse von Blutproben von 76 Covid-Patienten des St James’s Hospital. Sie fanden erhöhte Werte des Proteins S100-Beta, das unter anderem ein Marker für eine gestörte Blut-Hirn-Schranke ist.

So funktioniert die Blut-Hirn-Schranke

Als Blut-Hirn-Schranke wird die Grenze zwischen Blutstrom und Zentralnervensystem bezeichnet. Durch spezielle Zellen, die der Gefäßwand außen anliegen, können nur bestimmte Stoffe ins Gehirn übertreten. Dadurch wird das Hirn vor schädlichen Stoffen und Krankheitserregern geschützt. Wenn die Blut-Hirn-Schranke gestört ist, gelangen Substanzen ins Gehirn, die sonst abgeschirmt werden.

Den genauen Mechanismus der Schwächung dieses Systems konnten die Forscher noch nicht aufklären. Die Störung der Blut-Hirn-Schranke machten sie auch mittels bildgebender Verfahren sichtbar. Dafür nutzten sie eine besondere Art der Magnetresonanztomografie (MRT), die dynamische kontrastmittelbasierte Perfusions-MRT. Gemessen wird dabei, in welcher Weise ein Kontrastmittel durch ein Gewebe fließt. Die speziellen MRT-Aufnahmen zeigen, dass bei den Gehirnnebel-Patienten mehr Kontrastmittel in das Hirngewebe außerhalb der Blutkapillaren gelangt.

Auch andere Viruserkrankungen könnten das Hirn schädigen

Campbell, Doherty und Kollegen sind überzeugt, dass Corona nicht die einzige Virusinfektion ist, die auf diese Weise das Gehirn schädigt. "Die Ergebnisse werden nun wahrscheinlich die Art und Weise verändern, wie wir postvirale neurologische Erkrankungen verstehen und behandeln", sagte Doherty. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass bei vielen neurologischen Erkrankungen – etwa Multipler Sklerose (MS) – wahrscheinlich eine Virusinfektion der auslösende Faktor für die Erkrankung sei, heißt es in der Mitteilung des Trinity Colleges. Welche Rolle die Blut-Hirn-Schranke dabei spielt, wird von den Studienautoren aktuell genauer untersucht.