Salz und Bluthochdruck stehen in direktem Zusammenhang. Ein hoher Salzkonsum trägt somit wesentlich zur Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen und Herzinfarkten bei. Dennoch ist es schwierig, auf Salz zu verzichten, da es ein wichtiger Geschmacksverstärker ist.
Fachleute plädieren daher seit Jahren dafür, Kochsalz (fachsprachlich: Natriumchlorid) mit Kaliumchlorid anzureichern. Dies hätte auch den Vorteil, einer zu geringen Kaliumaufnahme vorzubeugen, die ebenfalls zu Bluthochdruck beiträgt. In der Praxis ist diese Empfehlung aber noch längst nicht angekommen, wie eine neue Studie zeigt.
Empfohlen werden drei Viertel Kochsalz, ein Viertel Kaliumsalz
Eine internationale Expertengruppe hat 32 Leitlinien zu Bluthochdruck und 14 Leitlinien zu Nierenerkrankungen aus verschiedenen Ländern untersucht. Leitlinien enthalten medizinische Empfehlungen zur Behandlung bestimmter Krankheiten, die von Experten in den jeweiligen Ländern entwickelt wurden. Das Team kommt zu dem Schluss, dass die untersuchten Leitlinienempfehlungen in Bezug auf Kaliumsalz unvollständig oder inkonsistent sind. Die Auswertung ist in der Fachzeitschrift "Hypertension" erschienen, die von der American Heart Association herausgegeben wird.
Um diese Lücken zu schließen, haben die Autorinnen und Autoren der Studie selbst eine Empfehlung formuliert, von der sie hoffen, dass sie in Zukunft in möglichst viele Leitlinien aufgenommen wird. Demnach wird Menschen mit Bluthochdruck nachdrücklich empfohlen, ein angereichertes Salz zu verwenden, das zu 75 Prozent aus Natriumchlorid und zu 25 Prozent aus Kaliumchlorid besteht. Es sei denn, die Betroffenen leiden an einer fortgeschrittenen Nierenerkrankung, verwenden bereits ein Kaliumpräparat, nehmen ein kaliumsparendes Diuretikum ein oder haben eine andere Kontraindikation.
Eine Kaliumüberdosierung kann schwere Folgen haben
Der Grund für diese Einschränkung ist, dass bei Nierenproblemen in Kombination mit einer Kaliumüberdosierung eine seltene, aber gefährliche Hyperkaliämie auftreten kann. Dabei gerät der Elektrolytehaushalt durcheinander. Die Smptome sind unspezifisch und für Laien schwer zuzuordnen. Es kann etwa zu Übelkeit, Durchfall, Muskelzucken, Kribbeln oder Herzrhythmusstörungen kommen. Im Blut macht sich die Hyperkaliämie durch einen Kaliumwert von mehr als 6 mmol/l bemerkbar.
Möglicherweise sind auch deshalb die Empfehlungen bisher so zurückhaltend. Es ist nicht auszuschließen, dass Einzelne glauben, viel helfe viel, und Kaliumsalz überdosieren oder nicht wissen, dass es sich mit ihren Medikamenten nicht verträgt. In jedem Fall ist es ratsam, vor der Umstellung auf angereichertes Kaliumsalz mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin zu sprechen.
Eine weitere Hürde kann der Geschmack sein. Kaliumsalz schmeckt je nach Kaliumgehalt etwas anders als normales Kochsalz. Gelegentlich wird ein metallischer, säuerlicher bis bitterer Geschmack beschrieben. Bei einem Kaliumchloridanteil von 25 Prozent dürfte dies jedoch kaum ins Gewicht fallen. In Studien wurde es jedenfalls gut angenommen. Allerdings ist es etwas teurer als normales Kochsalz.
Die deutsche Leitlinie enthält keinen Hinweis zu Kaliumsalz
Die deutsche Leitlinie zur Behandlung von Bluthochdruck wurde in der neuen Studie nicht untersucht. Ein Blick darauf zeigt jedoch, dass Kaliumsalz auch hier nicht erwähnt wird. Allerdings findet es sich in ergänzenden Empfehlungen zur gesunden Lebensweise für Patient*innen. Darin heißt es:
"Außerdem fanden Forschende heraus, dass ein Salz-Ersatz das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken und Todesfälle verhindern kann. Eine Studie untersuchte eine große Gruppe über 60-Jähriger mit Bluthochdruck, die mehrheitlich bereits einen Schlaganfall hatten. Die eine Hälfte der Teilnehmenden blieb bei der bisher üblichen Salzmenge. Bei der anderen Hälfte wurde ein Teil des Kochsalzes gegen Kaliumsalz ersetzt. Die Studie kam zu folgenden Ergebnissen: Innerhalb von 5 Jahren starben etwa 23 von 100 Personen mit gewohnter Salzmenge und etwa 20 von 100 Personen mit dem Salz-Ersatz. Demnach konnten ungefähr 3 von 100 Personen vor dem Tod bewahrt werden."
Die Frage, ob Kaliumsalz aufgrund dieser Ergebnisse empfohlen werden kann, wird hier jedoch offengelassen.
Die Wirksamkeit ist in Studien längst belegt
Auf welche konkrete Studie sich die Patientenempfehlung bezieht, ist nicht angegeben. Als eine der größten und wegweisendsten Studien zu diesem Thema gilt die Salt Substitute and Stroke Study (SSaSS).
Darin wurden über einen Zeitraum von knapp fünf Jahren in 600 chinesischen Dörfern rund 21.000 Menschen untersucht, die entweder bereits einen Schlaganfall erlitten hatten oder über 60 Jahre alt waren und unter Bluthochdruck litten. Die Hälfte von ihnen erhielt ein mit Kalium angereichertes Salz, die andere Hälfte würzte wie gewohnt.
In der Folge sank die Zahl der Schlaganfälle in der Kaliumgruppe um 14 Prozent, die der Herzinfarkte um 13 Prozent und die Gesamtsterblichkeit um 12 Prozent.
In Pflegeheimen konnte der Salzersatz den Blutdruck wirksam senken
Dies deckt sich mit den Ergebnissen der DECIDE-Studie, die im Februar 2024 veröffentlicht wurde. Demnach hatten chinesische Pflegeheimbewohner*innen, die mit Kalium angereichertes Salz serviert bekamen, eine um 40 Prozent niedrigere Inzidenz von Bluthochdruck als die Kontrollgruppe, die normal gesalzenes Essen zu sich nahm.
In einer Pressemitteilung fordert Alta Schutte vom George Institute for Global Health and UNSW Sydney und Ko-Autorin der Leitlinienstudie: "Angesichts der reichhaltigen Belege sind wir der Ansicht, dass es an der Zeit ist, Salzersatz in Behandlungsleitlinien aufzunehmen, um etwas gegen die steigenden Raten unkontrolliert hohen Blutdrucks rund um die Welt zu unternehmen und verhinderbare Todesfälle zu reduzieren."
Tom Frieden, CEO der gemeinnützigen Gesundheitsorganisation "Resolve to Save Lives" ergänzt: "Bluthochdruck ist jedes Jahr für mehr als zehn Millionen Menschen tödlich – fast 20 Menschen pro Minute. Zwanzig Prozent dieser Todesfälle können mit einer einzigen Ursache in Verbindung gebracht werden: zu viel Salzkonsum." Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt er eine gesellschaftsweite Salzreduktion und die Umstellung auf kaliumangereichertes Salz.
Salzarme Ernährung ist wirkungsvoll – aber schwierig umzusetzen
Auch eine salzarme Ernährung kann den Blutdruck senken. Empfohlen werden nicht mehr als 6 Gramm pro Tag (etwa ein Teelöffel). Der weltweite Durchschnittskonsum wird auf 10,3 Gramm pro Tag geschätzt. Eine Salzreduktion ist allerdings auf Dauer schwer durchzuhalten, da die Speisen dadurch deutlich fader schmecken und nicht jeder das alternative Abschmecken mit Gewürzen, Schärfe und frischen Kräutern beherrscht.
Da ist es einfacher, ein Salz durch ein anderes zu ersetzen – sofern wir es selbst in der Hand haben. Auf den Salzgehalt von Speisen im Restaurant, von Brot, Käse, Wurst, Saucen und Fertiggerichten haben wir ohnehin keinen Einfluss. Dazu bräuchte es gesetzliche Regelungen.
Neben dem Verzicht auf Salz gibt es weitere Maßnahmen, um den Blutdruck zu senken, etwa den Verzicht auf Alkohol und Nikotin, Gewichtsabnahme, Stressreduktion, gesunde Ernährung und vor allem: reichlich Bewegung.