Anzeige
Anzeige

Gelassenheit Wie Meditation gegen belastende Gedanken hilft

Gelassenheit: Mit Meditaton lassen sich belastende Gedanken und Gefühle besser und schneller in den Griff bekommen
Mit Meditaton lassen sich belastende Gedanken und Gefühle besser und schneller in den Griff bekommen
© Aleksandr Simonov / shutterstock
Wer zu meditieren gelernt hat, kann mit belastenden Gedanken und Gefühlen besser umgehen, sagt die Hirnforscherin Britta Hölzel. Das schütze effektiv vor Stress – und erhöhe die Lebenszufriedenheit

GEO: Meditation und Achtsamkeit erleben gerade einen Boom. Ist das Ausdruck der Sehnsucht nach Entschleunigung in einer Welt, die sich immer schneller dreht?

Dr. Britta Hölzel: In Zeiten von Arbeitsverdichtung, Multitasking und Informationsflut ist Meditation tatsächlich ein wirksames Mittel, um einen ruhigen Geist und klaren Kopf zu bewahren. Wer viel meditiert, ist in der Regel gesünder, weniger gestresst und empfindet sein Leben als sinnerfüllter. Natürlich geschieht dies nicht über Nacht, denn Meditation ist kein Wundermittel, sondern ein Weg, sich durch regelmäßiges Üben auf sich selbst zu besinnen, bewusster zu leben und inneren Frieden zu finden.

Stimmt es, dass es bei Meditation darum geht, den Kopf von jeglichen Gedanken zu befreien?

Es mag solche Momente geben, in denen die Gedanken wie weggeblasen sind. Wer zum ersten Mal meditiert, macht aber oft die gegenteilige Erfahrung: Die Gedanken rasen wie wild durch den Kopf, die gewünschte Ruhe will partout nicht einkehren. Viele geben dann auf, weil sie denken, sie machten etwas falsch, oder weil sie von dem Chaos in ihrem Geist überfordert sind. Dabei ist genau das Teil der Übung: sich des Gedankenstroms bewusst zu werden, um in eine andere Beziehung zu ihm zu kommen.

Was heißt das konkret?

Bei der Achtsamkeitsmeditation besteht eine Übung darin, den Geist nur zu beobachten, sich bewusst zu werden, welche Gedanken und Gefühle an die Oberfläche drängen, diese nicht zu bewerten, sondern ihnen mit einer neugierigen, freundlichen Haltung zu begegnen und mit der Aufmerksamkeit ganz im gegenwärtigen Moment zu sein. Diese innere Offenheit und Präsenz wird als „achtsam“ bezeichnet. Die Meditation ist die formelle Praxis, mit der man diese Achtsamkeit einübt.

Welchen Nutzen hat es, achtsam in mich selbst hineinzuschauen?

Es ist der erste Schritt, um herauszufinden, in welcher Beziehung ich zu meinen Gedanken und Gefühlen stehe. Bin ich ihnen hilflos ausgeliefert, nehme ich alles für bare Münze? Oder kann ich ihnen zusehen, wie sie kommen und gehen? Je mehr wir uns selbst erforschen, Einsicht nehmen in die Funktionsweise und Muster unseres Denkens und Handelns, desto freier können wir unser Leben gestalten. Wir hören auf, Getriebene unserer Ängste und Sehnsüchte zu sein.

Bedeutet das, ich muss alles Belastende aus meinem Geist verbannen?

Nein, das würde nicht funktio­nieren. Wenn Sie in den Widerstand gehen, werden negative Gedanken nur umso quälender. Auch wenn Sie sich für einige Zeit erfolgreich ablenken, sind die zugrunde liegenden Gefühle dennoch vorhanden. Sich ihnen völlig hinzugeben, ist aber ebenfalls keine Lösung. Vielmehr besteht die Kunst darin, belastende Gedanken und Gefühle zuzulassen, sich aber nicht von ihnen vereinnahmen zu lassen.

Wie kann das gelingen?

Ein Beispiel: Ich habe eine fünfjährige Tochter, die meist ihre eigenen Vorstellungen hat, wenn es etwa ums Anziehen oder Aufräumen geht. Regelmäßig geraten wir darüber in Streit, sie bekommt Wutanfälle, und auch in mir brodelt es heftig. Wenn ich dann ver­suche, mich zusammenzureißen und meine Wut zu unterdrücken, kommt irgendwann der Punkt, an dem ich nicht mehr kann, ich explodiere und schreie rum – damit ist nichts gewonnen.

Dr. Britta Hölzel
DR. Britta Hölzel, Jahrgang 1977, ist Neurowissenschaftlerin, MBSR-Trainerin und Gründerin des Instituts für Achtsamkeit und Meditation in München. Mithilfe der Kernspintomografie erforscht sie die Auswirkungen der Achtsamkeitsmeditation auf das Gehirn
© Julia Rotter

Was ist die Alternative?

Ich versuche innezuhalten, in mich hineinzuspüren und mich zu fragen, was in mir vorgeht. Ich nehme bewusst wahr, wie die Wut in mir aufsteigt, mein Herz zu rasen beginnt, meine Atmung flacher wird. Und erst wenn ich mir meiner eigenen Aggression gewahr bin, kann ich den Schalter umlegen und mir innerlich mit freundlichen Worten beistehen. Das mag seltsam klingen, aber es hat tatsächlich den Effekt, dass ich mich von der Wut distanziere, sie wie von außen betrachte.

Und dann verschwindet sie?

Sie kann zumindest schneller weiterziehen, sie bestimmt mein Handeln nicht mehr. Stattdessen habe ich den Kopf frei, um mit einer gelasseneren Haltung in den Konflikt zu gehen. Mir in Erinnerung zu rufen, dass meine Tochter mit ihren fünf Jahren in diesem Moment von ihrer eigenen Wut überfordert ist. Das heißt nicht, dass ich alles hinnehme, was sie sagt und tut. Aber genauso mitfühlend und ruhig, wie ich mit mir selbst war, helfe ich ihr jetzt dabei, ihre Wut zu bewältigen. Das gelingt mir aber nur, weil ich nicht hilflos in einem inneren Kampf mit meinen Gefühlen gefangen bin.

Das klingt, als wäre es ganz einfach.

Nein, das ist es nicht. Es braucht allerdings viel Übung, damit die Gelassenheit zur Gewohnheit wird und man in entscheidenden Momenten darauf zurückgreifen kann. Mit der Achtsamkeitsmeditation hat der Mensch eine hervorragende Methode entwickelt, um das Innehalten in ruhigen Momenten zu trainieren.

Basieren Ihre Erkenntnisse allein auf Erfahrung, oder lassen sich Effekte auch wissenschaftlich nachweisen?

Wir haben solide Studien, die zeigen, dass bei Meditierenden die Anspannung nach einer herausfordernden Situation vergleichsweise schnell wieder abnimmt. Sie bleiben offenbar nicht so stark an negativen Gefühlen kleben. Insgesamt gibt es derzeit knapp 7000 Veröffentlichungen, die sich mit dem Thema Achtsamkeit beschäftigen, allein im letzten Jahr sind 1400 hinzugekommen. Es zeigt sich, dass Achtsamkeit vor allem Stress und Ängste reduziert und gut wirksam ist bei Depression, Schmerzen oder auch zur Raucherentwöhnung. Eine Überblicksstudie ergab sogar, dass sich die Im­mun­abwehr des Körpers verbessert.

Das klingt ganz so, als wäre Achtsamkeit eine Art Allheilmittel.

Wir sollten nicht einem Wunderglauben erliegen. So sind zum Beispiel positive Auswirkungen auf kognitive Leistungen, also auf Aufmerksamkeit und Kreativität, aber auch auf das so­ziale Verhalten, noch nicht solide belegt. Aktuelle Studien lassen vermuten, dass sich solche Effekte allenfalls nach monatelangen Trainings zeigen.

Welche positiven Wirkungen haben Sie besonders verblüfft?

Die Ergebnisse einer gerade abgeschlossenen Studie meines Kollegen Thorsten Barnhofer und mir zu der Frage, was im Gehirn von depressiven Menschen passiert, die ein Achtsamkeitstraining absolviert haben.

Was zeigte sich dabei?

Die Patienten haben, während sie im Kernspintomografen lagen, Gefühle von Menschen auf Fotos mit emotionalen Gesichtsausdrücken benannt – einmal vor den zwei Wochen Achtsamkeitstraining und einmal danach. Beim Benennen von wütenden Gesichtern waren nach dem Training bestimmte vordere Bereiche des Gehirns weniger stark aktiviert. Und je deutlicher dieser Effekt war, desto stärker hatten die depressiven Symptome abgenommen.

Was schließen Sie daraus?

Die Patienten konnten offenbar ­ihre Depressionen abmildern, indem sie aufhörten, ihre negativen Gefühle zu unterdrücken. Stattdessen haben sie gelernt, diese Empfindungen bewusst wahrzunehmen und sich innerlich ein Stück weit von ihnen zu lösen.

Das gesamte Interview mit Frau Dr. Britta Hölzel finden Sie in GEO Wissen Gesundheit "Yoga & Meditation".

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel