"Sinkite" Geheimnisvolle Sand-Formationen in der Nordsee entdeckt

Nordsee mit Leuchtturm in Hörnum am Horizont
Im Untergrund der Nordsee haben Forschende mithilfe von Schallwellen und Bohrungen gewaltige Formationen aus Sand entdeckt, die vor Millionen von Jahren in die Tiefe gesunken sein müssen. Die Entdeckung betrifft nicht die Gegend unmittelbar bei Hörnum (Bild) – hat aber vielleicht weitreichende Konsequenzen
© Pitopia / mauritius images
Forschende haben Hunderte gigantische Sand-Gebilde im Boden der Nordsee ausgemacht. Der Fund rüttelt an einem grundlegenden Prinzip der Geologie – und wirft viele Fragen auf

Es ist einer der bedeutenden Grundsätze der Geowissenschaften: Wenn sich Gesteine ablagern, liegt die älteste Schicht ganz unten, die jüngste oben. Dass dies jedoch nicht immer gilt, haben kürzlich Forschende der Universität Manchester unter Beweis gestellt. Zusammen mit privaten Unternehmen untersuchte ein Uni-Team den Meeresgrund der Nordsee zwischen Norwegen und Großbritannien, bohrte hundertfach hinein und gewann so Proben aus dem Untergrund. Mithilfe von Schallwellen erlangten die Wissenschaftler zudem ein dreidimensionales Bild des Bodens – fast wie bei einer medizinischen Untersuchung mit einem Ultraschallgerät.

Dabei stießen sie auf gewaltige Gebilde aus Sand, die teils mehrere Kilometer breit sind – und die offenbar einst nach unten sanken und dabei ältere, aber leichtere Schichten verdrängten. Die dann deshalb nach oben gedrückt wurden.

Sie stellen unser bisheriges Verständnis des Untergrundes infrage

Das Resultat: eine "stratigraphische Inversion" – eine Umkehrung der besagten geologischen Schichtung, bei der jüngere Gesteine auf älteren lagern. In kleineren Dimensionen waren solche Inversionen bereits bekannt. Beispielsweise in kompliziert gefalteten Gebirgen, wo tektonische Kräfte die Lagen des Gesteins quasi auf den Kopf stellen können.

Aber in dieser Größenordnung hat ein solches Phänomen offenbar bislang niemand beobachtet. Die von dem Team aus Manchester als "Sinkite" beschriebenen Strukturen gelten demnach als das größte dokumentierte Beispiel. 

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Nach Meinung der Forschenden entstanden die Sinkite vor ein paar Millionen Jahren, als Erdbeben oder plötzliche Druckschwankungen im Untergrund dazu geführt haben könnten, dass Sand schlammig wurde – der danach durch natürliche Bruchzonen im Meeresboden nach unten sackte. Dabei wurden die darunter liegenden, festeren Schichten – bestehend vorwiegend aus den mikroskopisch kleinen Überresten von Meeresbewohnern – verdrängt und trieben nach oben. Diese leichteren Lagen bezeichnen die Wissenschaftler als "Floatite".

Verstehen wir bald besser, wo sich der Untergrund für die Speicherung des Klimakillers eignet?

Die Entdeckung stellt unser bisheriges Verständnis des Untergrundes infrage. Denn sie könnte dazu beitragen, besser zu ergründen, wo sich Erdöl und Erdgas sammeln – und, mehr noch, wo es möglich ist, Kohlendioxid im Untergrund zu speichern. Letzteres ist ein Konzept, das klimaschädliche Gas der Atmosphäre nachhaltig zu entziehen. Entscheidend dabei ist unter anderem, wie gut der Boden das Kohlendioxid hält.

Mads Huuse von der Universität Manchester und einer der Autoren der Studie, sagt dazu auf der Website der Uni: "Unsere Forschung zeigt, dass sich Flüssigkeiten und Sedimente in der Erdkruste auf unerwartete Weise bewegen können. Zu verstehen, wie sich diese Sinkite gebildet haben, könnte unsere Bewertung von unterirdischen Speichern, Dichtungen und Fluidbewegungen grundlegend verändern – all das ist entscheidend für die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid."

Derzeit dokumentiert das Team weitere Sand-Ungetüme und untersucht, wie genau sie unser Bild der Unterwelt verändern könnten.

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