Lavaröhre Forschende spüren Höhle auf dem Mond auf

Höhle im Mond wird angestrahlt
Eine Mondgrube im Mare Tranquillitatis ("Meer der Stille") verbirgt einen begehbaren, mehrere Dutzend Meter langen Höhlengang im Untergrund des Mondes. Die Höhle konnte durch die Analyse von Radarbildern gefunden werden (Computeranimation)
© Elaboration of a photo of A. Romeo. LRO 3D model by NASA (Brian Kumanchik, Christian Lopez. NASA/JPL-Caltech), Earthrise photo captured on Taken on 24 December 1968 by Apollo 8 astronaut Bill Anders
Mehr als 200 tiefe, schachtartige Gruben auf der Mondoberfläche haben Forschende bislang auf Bildern von Mondsonden entdeckt. Nun ist einem Team aus Italien und den USA erstmals der Nachweis gelungen, dass solche – Pits genannten – Einbrüche Zugang zu größeren Höhlen bieten können

Radarbilder zeigen eine 30 bis 80 Meter lange und 45 Meter breite Höhle, die vom "Mare Tranquillitatis Pit" ausgeht, der größten bekannten Grube in dieser Tiefebene. Solche Höhlen wären ideal für die Errichtung bemannter Mondstationen, da sie Schutz vor Strahlung und gemäßigte Temperaturen bieten, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt "Nature Astronomy".

Die Pits sind nach bisherigen Erkenntnissen Öffnungen in Lavaröhren aus der Frühzeit des Mondes. Solche Röhren gibt es auch auf der Erde. Sie bilden sich, wenn dünnflüssige Lava unter geringer Neigung in Rinnen herabströmt. Die Lava erkaltet an der Oberfläche, und es bildet sich von den Rändern der Rinne her ein Deckel über dem Lavastrom. Versiegt dieser schließlich, bleibt eine leere Röhre zurück. 

3D Modell zeigt Höhlengang im Mond
Dieses 3-D-Modell zeigt den entdeckten, begehbaren Höhlengang im Untergrund des Mondes (Computeranimation)
© ROC NAC data (Wagner, R. v., & Robinson, M. S. (2022). Lunar Pit Morphology: Implications for Exploration. Journal of Geophysical Research: Planets, 127(8)

"Bislang war unklar, ob die Einbrüche heute noch Zugang zu längeren Hohlräumen in den alten Lavaröhren bieten", erläutern Leonardo Carrer von der Universität Trient in Italien und seine Kollegen. Das Team hat sich deshalb den mit einem Durchmesser von einhundert Metern größten bekannten Einbruch vorgenommen. Auf Radarbildern der Sonde "Lunar Reconnaissance Orbiter" aus dem Jahr 2010 wurden die Forscher schließlich fündig.

Die Radarbilder zeigen einen hellen Streifen – also eine stärkere Reflexion der Radarstrahlung –, der sich vom Mare-Tranquillitatis-Pit aus nach Westen erstreckt. Mithilfe von Computern simulierte das Team die Reflexion von Radarstrahlen an unterschiedlichen Höhlen. Wie sich zeigte, lässt sich der helle Streifen durch einen in einer Tiefe von 130 bis 170 Metern liegenden Hohlraum erklären, der 45 Meter breit ist und sich möglicherweise bis zu 80 Meter weit von dem Pit aus unter der Mondoberfläche erstreckt.

Die Wissenschaftler betonen, dass das Radar des "Lunar Reconnaissance Orbiter" nicht darauf spezialisiert war, solche Höhlen aufzuspüren. Seine Auflösung sei zu gering, um bei anderen Pits nach Lavaröhren zu suchen. "Es war für uns deshalb nicht möglich, weitere Höhlen bei anderen Pits nachzuweisen", so Carrer und seine Kollegen.

Mondsonde der NASA
Mit der Mondsonde LRO (Lunar Reconnaissance Orbiter) kann die NASA unter anderem die Strahlungsumgebung des Mondes messen (Computeranimation)
© NASA / GSFC

Doch der Nachweis bei der größten bekannten Grube auf dem Mond zeige, dass das Verfahren sich prinzipiell für eine solche Suche eigne. Mit Blick auf die Bedeutung solcher Hohlräume empfiehlt das Team daher, eine Sonde mit einem entsprechend spezialisierten Radargerät in die Mondumlaufbahn zu entsenden. "Ein vollständiger Katalog aller bekannten Pits würde uns zeigen, welche Stellen sich am besten für die Errichtung einer Mondbasis eignen", so die Forscher.

Da der Mond weder eine Atmosphäre noch ein Magnetfeld besitzt, sind Astronauten dort ungeschützt gefährlicher Strahlung aus dem Weltraum ausgesetzt. Höhlen würden dagegen einen effektiven Schutz bieten. Und sie würden eine Mondstation auch vor den starken Temperaturschwankungen auf der Mondoberfläche abschirmen. Dort ist es am Tag bis zu 130 Grad Celsius heiß, während es nachts auf minus 55 Grad abkühlt.

"Zudem lässt unsere Methode auch für den Mars anwenden", heben die Wissenschaftler hervor. "Denn auch dort sind bereits über tausend solcher Gruben bekannt."

Rainer Kayser