Rätselhafte Sandflecken Forschende lüften das Geheimnis der "Mini-Dünen"

Sanddünen von Maspalomas, Gran Canaria, Spanien
Wie und wo sich große Sanddünen (hier bei Maspalomas, Gran Canaria) formen, ist grundsätzlich schon länger bekannt. Nun haben Forschende einen neuen Prozess entdeckt, der zur Bildung der Giganten führt. Und auch, wie sich Sandflecken bilden, die kleineren Verwandten der Sandriesen. Die Erkenntnisse könnten sogar dabei helfen, den Mars besser zu erkunden
© © Marco Bottigelli / Getty Images
Lange war unklar, warum sich in Wüsten oder auf Stränden Sandflecken bilden. Jetzt haben Forschende die sonderbaren Gebilde analysiert – mit erstaunlichen Einsichten

Lange standen Sandflecken im Schatten ihrer großen Verwandten: der Sanddünen. Die kleinen Ablagerungen wirken unscheinbar – sie messen in Länge und Breite oft nur wenige Meter und sind lediglich ein paar Zentimeter hoch. Wer zwischen Dünen spaziert, findet sie dort. Oder auch am Strand, wo der Sand feucht ist. Und mitten in Kiesfeldern. So unauffällig sie sind, so viel verraten darüber, wie der Wind Sandkörnchen ablagert und sie gar zu gigantisch großen Strukturen aufhäuft.

Um die Entstehungsgeschichte der "Mini-Dünen" zu durchleuchten, baute ein internationales Forschungsteam in den Great Sand Dunes National Park im US-Bundesstaat Colorado und in der Namibwüste von Namibia seine Messgeräte auf. Schon die ersten Beobachtungen legten nahe: Die Ablagerungen treten nicht zufällig auf, sondern nur an bestimmten Orten mit festem Untergrund – in der Namib auf den Kiesflächen zwischen den Dünen, in Colorado auf feuchtem, von einem Fluss benetzten und dadurch fest gewordenem Sand. 

Bei Variante eins gerät deutlich mehr Material in Bewegung

Damit war klar: Der Untergrund muss entscheidend sein – je nachdem, ob er fester oder softer ist, bilden sich die Formationen oder eben nicht. Messungen von Windgeschwindigkeit und dem "Sandfluss" bestätigten dies. Denn sie zeigten, dass der Wind über festen Oberflächen deutlich mehr Sand in Bewegung setzen kann als über weichem. Der Grund dahinter: Sandkörner bewegen sich im Wind nicht nur durch die Luft, sondern immer auch mit Bodenkontakt: in kleinen Sprüngen nämlich – der so genannten Saltation. Auf Kiesflächen oder feuchtem Sand fallen diese Sprünge jedoch viel weiter und höher aus als etwa auf trockenem, losem Sand, wo ihr Aufprall gedämpft wird. Bei Variante eins gerät deutlich mehr Material in Bewegung.

Anhand der Unterschiedlichkeit des Untergrunds lässt sich der Mechanismus der Fleckenbildung nachvollziehen: "Man stelle sich eine große Menge Sand vor, die über eine feste Fläche transportiert wird. Trifft sie plötzlich auf eine Stelle, an der bereits Sand liegt, sinkt die Transportkapazität, der Wind kann weniger bewegen – und lagert dort Sand ab. Dieser Prozess verstärkt sich, bis ein deutlich sichtbarer Fleck entsteht", beschreibt eine der Forscherinnen in einer Pressmitteilung den Prozess.

In Wirklichkeit ist die Genese noch etwas komplexer. Die Forschenden aus den USA, Frankreich und Großbritannien entdeckten, dass der Übergang "von hoher zu niedriger Transportkapazität" nicht abrupt erfolgt, sondern erst nach einer gewissen Strecke – etwa einem Meter. Mit den Daten fütterte das Team des Projekts, an dem unter anderem das französische "Centre national de la recherche scientifique" und die Universität Southampton beteiligt sind, ein Computermodell und konnte so auch simulieren, was sie in der Natur vorfanden. Form und Maße der Ablagerungen im Modell stimmten mit den Messungen überein. In der Namib waren die Gebilde rund fünf Meter lang und fünf Zentimeter hoch. Und auch die Länge des Bauprozesses konnten die Forschenden nahezu exakt nachstellen: Ein Fleck bildet sich in etwa anderthalb Stunden und wandert in dieser Zeit etwa zwei Meter mit dem Wind.

Ein Fleck wuchs innerhalb von zwei Stunden auf über zehn Meter an

Mithilfe ihres Computermodells konnten sie zudem vorhersagen, was aus den Ablagerungen werden kann. Unter bestimmten Bedingungen, sofern der Wind stetig aus derselben Richtung weht und genügend Sand herantransportiert – können sie in wenigen Tagen zu Dünen heranwachsen. Doch das geschieht selten, da der Wind meist dreht oder auch der Nachschub an Sand vorschnell versiegt.

Sandfleck in der Namib
Sieht unscheinbar aus, hat aber Zeug für Großes: ein Sandfleck. Aus solchen Gebilden (hier eines aus der Namib) können Dünen heranwachsen. Und sie erlauben der Forschung neue Einsichten, wie sich Sandkörner verhalten
© University of Southampton

Ein Team im Great Sand Dunes National Park konnte dennoch beobachten, wie ein Fleck innerhalb von zwei Stunden auf über zehn Meter anwuchs – die Mindestlänge, ab der aus einem Sandhaufen eine Düne wird. Damit haben die Physikerinnen und Physiker einen neuen Bauprozess für jene Riesen entdeckt, die seit jeher Menschen faszinieren. Weil Dünen teils mehr als 20.000 Jahre alt sind und zuweilen ihre Form alle sechs Monate ändern. Weil sie im Laufe eines Jahres bis zu 30 Meter zurücklegen – und dabei sogar andere Dünen überwinden, die ihnen im Weg stehen. 

Künftige Messungen sollen die Erkenntnisse an Stränden überprüfen. Dort weht der Wind häufiger kontinuierlich landeinwärts, und getrockneter Sand ist stets an irgendeiner Stelle vorhanden – ideale Bedingungen, um die Geburt einer Düne zu verfolgen. Zudem wollen die Forscherinnen und Forscher dabei klären, welche Faktoren die Länge beeinflussen, die Strecke des Übergangs, nach der der Sand niedergeht und zur Ruhe kommt. Ist es die Windstärke? Die Größe der Sandkörner? Oder beides?

Seit die unscheinbaren Flecken die Aufmerksamkeit der Physik auf sich gezogen haben, hat sich das Verständnis von den Vorgängen enorm erweitert. Die Wege des Sands sind weit komplexer als gedacht. Sand wird nicht einfach geradlinig von einer Düne zur nächsten transportiert, sondern bildet zwischendurch Ablagerungen, die entstehen, hin- und herwandern, wieder verschwinden, Dünen mit Masse ausstaffieren – und manchmal selber zu Dünen werden.

Lässt sich die Methode gar auf dem Mars anwenden?

Anhand der Eigenschaften der Flecken – ihrer Größe, der Geschwindigkeit ihrer Bildung – können die Forschenden nun auch auf den Sandfluss schließen, der sie erzeugt hat. Schon simple Fotos, in regelmäßigen Abständen geschossen, könnten reichen, um die transportierte Menge abzuschätzen.

Eine Methode, die auch auf dem Mars Anwendung finden könnte: Auf Bildern des NASA-Rovers Perseverance könnten Strukturen zu sehen sein, die den Flecken auf der Erde ähneln. Das ergab eine erste Analyse. Mit ihnen ließe sich beispielsweise der Wind des Roten Planeten indirekt und elegant vermessen. 

Dann zöge die irdische Sand-Methode wirklich große Kreise. 

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