Herkömmliche Grippeimpfstoffe werden hauptsächlich mittels Hühnereiern hergestellt – inzwischen rückt der Einsatz schneller produzierbarer mRNA-Impfstoffe immer näher. Der Pfizer-Konzern hat Ergebnisse der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie seines mRNA-Grippe-Impfstoffs vorgestellt. Dieser verhindert mehr Grippefälle als herkömmliche Impfstoffe und löst eine stärkere Immunantwort aus, wie es im "New England Journal of Medicine" heißt. Allerdings träten auch häufiger Impfreaktionen auf.
Die mRNA-Impftechnologie erlaube im Herstellungsprozess eine schnelle Anpassung an neue Varianten, erklärte Alexander Dalpke vom Universitätsklinikum Heidelberg, der selbst nicht an der Studie beteiligt war. Eine solche Anpassung sei für die saisonale Influenza jedes Jahr notwendig. Zudem sei die Technologie gut skalierbar - beim konventionellen, auf Hühnereiern basierenden Impfstoff sei das kaum der Fall. Eine schnelle Anpassung und Skalierung wären gerade im Fall einer neuen Influenza-Pandemie wichtig, so Dalpke, der Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko) ist.
Grippeimpfstoffe sind von Jahr zu Jahr anders
Grippeepidemien gibt es jedes Jahr in den kälteren Monaten – auf der Nordhalbkugel von Oktober bis März, auf der Südhalbkugel von April bis September. Häufigster Erreger ist das Influenza-A-Virus, das nach seinen Oberflächenproteinen Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N) in viele Subtypen unterteilt wird. Durch kleine Veränderungen in diesen Proteinen entstehen kontinuierlich neue zirkulierende Varianten, an die die Impfstoffe nach WHO-Empfehlung jährlich angepasst werden.
Aktuell müssten für die Nordhalbkugel die Impfstämme für die Impfstoffe im Februar bestimmt werden, da die Herstellung des Impfstoffes etwa sechs Monate dauere, erklärte Florian Krammer von der Medizinischen Universität Wien. "Während dieser Zeit findet die Influenza-Saison auf der Südhalbkugel statt und es kann zur Veränderung des Virus kommen." Das könne dazu führen, dass der festgelegte Impfstoff nicht mehr gut mit den zirkulierenden Stämmen zusammenpasst, was die Wirksamkeit verschlechtert.
Schnellere Reaktion auf Pandemien
"mRNA-basierende Impfstoffe können viel schneller hergestellt werden, Entscheidungen zu den Impfstämmen müssten erst im Mai oder Juli getroffen werden", so Krammer. Dann gebe es schon Daten von der Südhalbkugel und die Wahrscheinlichkeit sei viel größer, dass die hergestellten Impfstoffe gut zu den zirkulierenden Viren passen.
Komme es zur Zulassung von mRNA-Grippe-Impfstoffen, habe das zudem einen Vorteil mit Blick auf potenzielle Influenza-Pandemien: Wenn eine Firma schon einen zugelassenen Impfstoff für saisonale Influenza auf dem Markt habe, könne dieser sehr schnell auf den pandemischen Stamm umgestellt werden, ohne langwierige Effizienzstudien, wie sie bei Covid-19 nötig waren.
Pfizer hatte seinen Impfstoff in der Grippe-Saison 2022/23 in den USA, auf den Philippinen und in Südafrika getestet. In einer Phase-III-Studie wird die Sicherheit und Wirksamkeit eines Medikaments oder Impfstoffes an einer großen Anzahl von Probanden getestet. Die Ergebnisse liefern die entscheidenden Daten für die Zulassungsbehörden, um zu beurteilen, ob der Impfstoff sicher und wirksam genug für den breiten Einsatz ist.
Im Zuge der Pfizer-Studie erhielten mehr als 18.000 Menschen zwischen 18 und 64 Jahren entweder den mRNA-Impfstoff oder einen herkömmlichen. Die relative Wirksamkeit des mRNA-Impfstoffs im Vergleich zum Kontrollimpfstoff betrug 34,5 Prozent: In der mRNA-Gruppe gab es 57 Erkrankungen, in der Kontrollgruppe 87. Weit überwiegend handelte es sich um Influenza-A-Fälle.
Erwartbare Impfreaktionen
Auch die Immunreaktion auf die Impfung im Blut fiel den Daten zufolge für Influenza-A-Stämme merklich stärker aus, für B-Stämme ähnlich oder niedriger. Wie schon für andere mRNA-Impfungen typisch gab es mehr Impfreaktionen, die meisten davon mild bis moderat und nur vorübergehend. Schwere Nebenwirkungen waren mit einer Rate von einem Prozent etwa gleich häufig wie bei herkömmlichen Präparaten.
Die erhöhten Impfreaktionen entsprächen denen, die von den Covid-19-Impfstoffen bekannt sind, erklärte Dalpke. "Diese sprechen nicht gegen eine Zulassung – in der Anwendung wäre das dann eine Abwägung von besserer Wirksamkeit versus erhöhten Nebenwirkungen."
Vor Pfizer hatte bereits das Unternehmen Moderna Ergebnisse einer Phase-III-Studie zu seinem saisonalen mRNA-Grippe-Impfstoff mRNA-1010 vorgelegt. Die Immunreaktion darauf war herkömmlichen Impfungen ebenfalls nicht unterlegen, auch hier traten häufiger Nebenwirkungen auf. Einer Moderna-Mitteilung zufolge verhindert auch mRNA-1010 mehr Influenza-Erkrankungen als Kontrollimpfstoffe. Diese Ergebnisse sind aber noch nicht in einem Fachjournal publiziert.
Ein Vergleich fehlt noch
Beide mRNA-Impfstoffe ähnelten sich, erklärte Krammer, und beide zeigten eine gute Wirkung und eine Effizienz etwas über der herkömmlicher Influenza-Impfstoffe. "Die Nebenwirkungen sind zwar höher, aber die kann man – vor allem in Risikogruppen – für einen besseren Schutz in Kauf nehmen." Zu berücksichtigen sei aber, dass es bereits auf Standardtechnologien beruhende verbesserte Impfstoffe für Risikogruppen gebe. Einen direkten Effizienz-Vergleich mit diesen Präparaten gebe es bisher weder bei Pfizer noch bei Moderna.
Dalpke gibt zu den vorgelegten Phase-III-Studien ergänzend zu bedenken, dass unklar sei, ob es grundsätzlich eine bessere Wirksamkeit als bei konventionellen Impfstoffen gebe oder dies möglicherweise nur in der betrachteten Saison so war. Grundsätzlich sei aber gezeigt, dass mRNA-Impfstoffe auch für Influenza produziert werden können und wirksam sind. Die generelle Effektivität der mRNA-Technologie werde bestätigt.