In der Antarktis wird es stürmischer. Weil durch den Rückgang des Meereises mehr Wärme aus dem Südpolarmeer in die Atmosphäre gelangt, nimmt die in der Luft enthaltene Energie zu. Ein britisches Wissenschaftsteam hat dies jetzt anhand von Satelliten- und Vor-Ort-Messdaten aus dem Zeitraum 1990 bis 2023 gezeigt: In den untersuchten Antarkis-Gebieten nahm die Häufigkeit stürmischer Tage um bis zu sieben Tage zu. Die Studie ist in der Fachzeitschrift "Nature" erschienen.
Die Ausdehnung des antarktischen Meereises ging der Forschungsgruppe zufolge schon über mehrere Jahrzehnte zurück, ehe es ab 2016 deutlich nach unten ging. Im Februar vergangenen Jahres erreichte die Eisausdehnung einen neuen Tiefpunkt, und auch im folgenden arktischen Winter wurde ein Negativrekord verzeichnet. Simon Josey vom National Oceanography Centre in Southampton (Großbritannien) und Kollegen wollten wissen, wie sich dieser Rückgang auf den Wärmeaustausch zwischen Meer und Luft auswirkt. Denn die Meereisschicht verhindert diesen Austausch.
Die Forschenden untersuchten die Mess- und Analysedaten der Monate Juni und Juli, die im südlichen Winter liegen, über mehrere Jahrzehnte. Zudem grenzten sie den Untersuchungsbereich auf das Meer nördlich des Gebiets Enderby sowie drei Randmeere des Südpolarmeers ein: Weddellmeer, Rossmeer und Bellingshausensee. In einigen Bereichen der Randmeere betrug der Rückgang des Meereises im Jahr 2023 gegenüber dem Zeitraum 1991 bis 2020 bis zu 80 Prozent. Entsprechend stieg der Wärmefluss zu Beginn des antarktischen Winters.
Mehr Wärme in der Atmosphäre hat Folgen: Durch sie steht Winden mehr Energie zur Verfügung, sodass sie stärker werden können. Das Team um Josey fand heraus, dass sich im Untersuchungsgebiet die Anzahl der Sturmtage durchschnittlich von 9,1 auf 11,6 erhöht hat, also um 2,5 Tage. Im nördlichen Weddellmeer nahm die Anzahl der Sturmtage sogar um sieben Tage zu.
"Es ist möglich, dass unsere Analyse neben Stürmen auch andere Starkwindereignisse umfasst, aber in beiden Fällen können die verstärkten Winde weitere Folgen für den Ozean haben, durch sturmbedingte Vermischung in der Nähe der Wasseroberfläche, verstärkten Wärmeverlust und Eisbruch", schreibt die Forschungsgruppe.
Zudem verändern sich Strömungen im Ozean. An vielen Stellen unter dem Meereis ist der Ozean nicht sehr tief, weil der Kontinentalschelf oder -sockel darunter liegt. Durch das Zufrieren des Meeres wird das Wasser darunter salziger, weil beim Gefrieren Salz aus dem Meerwasser austritt. Das kalte, salzhaltige Meerwasser sinkt ab und fließt vom Kontinentalschelf ab.
Es vermischt sich dann mit dem zirkumpolaren Tiefenwasser - diese Mischung bildet das dichteste Meerwasser der Welt, das antarktische Bodenwasser. Dieses Wasser kann große Mengen Kohlendioxid (CO2) aufnehmen. Doch der Mechanismus funktioniert bei fehlendem Meereis nicht.
"Die Menge an Kohlenstoff, die das Südpolarmeer aufnehmen kann, wird durch das Volumen des gebildeten antarktischen Bodenwassers sowie durch die Zeit beeinflusst, die es in großen Tiefen verbleibt, bevor es wieder an die Oberfläche gelangt", schreiben Laura Landrum und Alice DuVivier von der University Corporation for Atmospheric Research im US-amerikanischen Boulder in einem Kommentar, ebenfalls in "Nature". Sie betonen: Wenn der Eisverlust im Winter in den kommenden Jahren andauere, könnten die in der Studie genannten Einflüsse globale Auswirkungen haben.