Wenn sie nur einen Tag lang könnte, wie sie wollte, würde sie wahrscheinlich mit ihren Söhnen schwimmen gehen. Sich danach vielleicht mit ihrem Mann zusammen bei einem Glas Rotwein entspannen. Wie früher. Anstatt die ganze Zeit über verkrampft und angespannt zu sein. Am liebsten aber würde sie mal wieder sprechen können: so klar und deutlich und in dem weichen, melodischen Französisch, das sie ihr Leben lang mit Selbstverständlichkeit gesprochen hat. Heute stellt jeder Satz sie vor eine Herausforderung.
Laëtitia Schneeberger, 49, sitzt in ihrem Rollstuhl, als wir uns in einem schmucklosen Raum der Alten Kongresshalle in München zum Interview treffen. Ihr Händedruck ist warm und fest. Sie trägt Schal, Mütze und einen gestreiften Pullover, ihre dünnen Beine stecken in einer Jeans. Wenn sie auf eine Frage antwortet, suchen ihre dunklen Augen die meinen, mischt sich in ihrem Blick Melancholie mit Stolz. Und wenn sie dann spricht, kommt ihr ein verwaschener Singsang über die Lippen.

Aber sie hat ja Verstärkung. Laëtitias Mann Toni und ihre Kinder Raoul und Emric füllen die Lücken in ihrer Konversation oder sprechen Sätze nach. Für mich, den GEO-Reporter, der es nicht gewohnt ist, ihr zuzuhören. Und manchmal reden alle durcheinander. Unser vielstimmiges Interview ist nicht das einzige, das die Schneebergers heute geben. Den ganzen Abend erzählen die vier über sich. Denn sie sind angereist, ihren Film vorzustellen.