Overtourism Reisen wird komplizierter: "Der freie Zugang zu Kultur ist ein Auslaufmodell"

Brunnen mit Statuen
Selbst, um nur den Trevi-Brunnen in Rom zu sehen, sollen Reisende in Zukunft eigens einen Termin buchen
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Wer Europas Kulturschätze sehen will, muss lange im Voraus planen, sagt Guido Wiegand, Marketing-Direktor beim Reiseanbieter Studiosus im GEO-Interview. Viele Sehenswürdigkeiten sind so überlaufen, dass spontane Reisen kaum noch möglich sind

In vielen Ländern der Welt herrschen Unruhen oder gar Krieg. Wo kann man überhaupt noch Urlaub machen?

Wir hatten in unserer Geschichte noch nie so viele Länder, in die man nicht reisen kann, und uns gibt es seit 70 Jahren. Das gilt zum Beispiel für den Iran, Russland und Myanmar. Aber wir haben immer noch über 100 Länder im Programm, die es zu entdecken gilt.

In diesen Ländern wird es dann um so voller. Rom, Florenz, Barcelona: alles überlaufen. Was bedeutet dies für Reisende?

In einem Satz: Der freie, ungeplante Zugang zu Kultur ist ein Auslaufmodell, vor allem in den europäischen Metropolen. Diese Städte sind so stark besucht, dass sie Besuchermanagement betreiben müssen. Drei-Sterne-Highlights können Urlauber inzwischen fast überall nur noch besuchen, wenn sie einen Slot dafür gebucht haben.

Ist das das Ende der spontanen Reise?

Es ist jedenfalls nicht mehr möglich, einfach nach Rom zu fahren und dann vor Ort zu sagen: Heute gehe ich in den Petersdom. Das muss lange vorher geplant werden. Sogar der Zugang zum Trevi-Brunnen soll künftig nur noch nach Buchung möglich sein.

Wie koordinieren Sie das auf Ihren Gruppenreisen?

Wir entzerren. Drei Highlights am Tag, das geht nicht mehr. Das Risiko, dass wir dann zu einem der Termine zu spät kommen und die Eintrittskarten verfallen, ist zu groß.

Was raten Sie Reisenden, wie lange im Voraus sollte man seinen Slot buchen?

Das Problem ist, dass das bei jeder Sehenswürdigkeit anders ist. Manchmal sind es drei Wochen, manchmal drei Monate. Manchmal ist es nötig, den Besuch eine Woche vorher noch einmal zu bestätigen, manchmal erst zwei Tage vorher.

Wie machen Sie das als Veranstalter?

Wir legen es uns auf Wiedervorlage. Der Koordinationsaufwand ist aber enorm, wir bräuchten dringend eine zentrale Buchungsplattform für Sehenswürdigkeiten in Europa.

Macht das Reisen unter diesen Umständen überhaupt noch Spaß?

Ja, unbedingt. Früher ist man für die Akropolis in sengender Sonne vier Stunden in der Schlange gestanden. Da sind Leute manchmal ohnmächtig geworden. Heute ist der Zugang klar geregelt. Das Kulturerlebnis gewinnt dadurch, weil die Besucher weniger Stress haben und die Sehenswürdigkeiten nicht so überlaufen sind.