Die Gründer von "Baechtold’s Best" sind Fotografen und Verleger, aber vor allem Entdeckungsreisende. Wir haben den Kanadier Paolo Woods (38) gefragt, warum zehn Bilder mehr über ein Land sagen als lange Texte – und wie man die zehn besten findet
GEO Saison: Das Konzept der Bücher ist immer gleich. Jeweils zehn Fotos illustrieren in 32 Serien eine Kategorie, mit der Sie einen Aspekt eines Landes visualisieren ...
Paolo Woods: Ja, jeweils zu vier Themenbereichen: Menschen, Natur, Kunst und Dinge. Das beste Bild ist seitenfüllend, darunter steht in einem Wort die Kategorie. Die anderen neun sind in Dreierreihen auf der linken Seite angeordnet.
In Ihrem Afghanistan-Buch sehen wir also die zehn besten Fotos von Jeeps, Marihuana-Pflanzen, Generälen und Kalaschnikows. Und im Nordpol-Führer die zehn besten von Iglus...
...was ja eigentlich nur Häuser heißt, also zeigen wir eben typische Holzhäuser ...
... und von Hinterhöfen, Straßen und Containern. Erklären solche Bilder ein fremdes Land? Ohne Texte über die Geschichte und Kultur, ohne Tipps für Hotels, Bars und Sehenswürdigkeiten?
So merkwürdig das klingen mag: Ja. Sie vermitteln den Alltag und den Geist eines Landes oder einer Region. Wir lieben ja das Spiel mit Stereotypen: Bei Afghanistan denkt man eben an Kalaschnikows, beim Nordpol an Robben und Eisbären …
...die Sie unter der Kategorie "Peng" zusammen mit Hirschgeweihen als erlegte Beute zeigen.
Wie gesagt, wir haben das Klischee im Kopf, gehen auf Entdeckungsreise – und fotografieren, was uns dann wirklich begegnet.
Das ist meist hinreißend komisch und einfallsreich...
... und harte Arbeit. Das Konzept mag einfach klingen, aber es ist unheimlich schwierig, zehn überzeugende Fotos zu einem Begriff zu machen. Zwei, drei sind schnell fertig, aber zehn?
Stimmt die Geschichte, dass Ihnen und Ihren Freunden Claude Baechtold (36) und Serge Michel (40) die Idee zu den Büchern gekommen ist, als Ihr Geländewagen an einem Fluss in Afghanistan strandete, inmitten von Taliban, Wölfen und Warlords?
Ja, die stimmt, ich schwöre! Serge und ich waren vor sieben Jahren als Fotoreporter in Afghanistan unterwegs. Sein Freund Claude Baechtold, ein Grafikdesigner und eher künstlerisch orientierter Fotograf, wollte gerne mitkommen, war aber noch nie in einem Kriegsgebiet gewesen. Sein Ansatz, sich fotografisch einem Land anzunähern, war ganz anders als unserer. Jedenfalls haben wir uns andauernd über Fotografie unterhalten, was gute Bilder ausmacht, wie sie präsentiert werden können. Ja, und dann wollten Serge und ich auch mal auf Claudes Art arbeiten. Er ist eine wilde Mischung aus Schweizer und Japaner, total organisiert und methodisch. Und er fotografiert wie besessen, macht Bilder von allem, was er sieht, wirklich von allem. Danach klassifiziert er sie, so wie ein Schmetterlingssammler, nach der Form, nach der Farbe, nach irgendwelchen Kriterien eben. Die Welt mit dieser eher künstlerischen Haltung abzubilden, dachten wir, würde interessant sein, mal was anderes als klassische Krisengebietsfotografie. Als wir in diesem Flussbett festsaßen, entwickelten wir die Idee zu den von Claudes Ästhetik geprägten Reiseführern.
Sind es denn wirklich Reiseführer?
Sie sind eher für imaginäre Reisen vom Sofa aus gedacht, als Inspiration. Ich glaube nicht, dass jemand sie schon mal wirklich als Reiseführer benutzt hat und in Afghanistan gezielt nach Menschen mit Bärten gesucht hat. Übrigens, die Bücher sind dort sogar zu haben, sie werden an einer der französischen Militärbasen verkauft.
Ironisch, leicht und liebevoll sind alle Ihre Bücher, auch die über Beijing, den Nordpol und den Louvre, der als Land dargestellt wird, das es zu entdecken gilt. Wie suchen Sie sich Ihre Reiseziele aus? Beauftragen Sie Fotografen? Oder bekommen Sie entsprechende Angebote?
Beides, aber hauptsächlich treffen wir die Entscheidung. Wir verlegen die Bücher ja inzwischen selbst, nur das Afghanistan-Buch ist bei einem US-Verlag erschienen. Wir haben unseren Verlag Riverboom genannt, nach dem Fluss Boom, an dem uns die Idee gekommen ist. Wenn wir über ein neues Buch nachdenken, veranstalten wir einen Haufen Meetings, diskutieren, trinken massenhaft Wein und werfen Ideen in die Luft. Außerdem reisen wir ja häufig für andere Aufträge in der Welt herum, dann schauen wir natürlich, ob sich das Land für ein Baechtold’s Best anbietet.
Haben Sie die Kategorien schon festgelegt, bevor Sie losfahren?
Ja, das ist wichtig. Aber natürlich passiert es auch, dass man während der Reise überrascht wird, Unerwartetes entdeckt, und das kann der Beginn einer neuen Serie sein. Wir benutzen schließlich Klischees, um sie zu brechen. Wir zeigen im Beijing-Buch zum Begriff "Great Wall" ganz unterschiedliche, gewöhnliche Mauern. Und wir haben mit der Tatsache herumgespielt, dass Chinesen auf den Boden spucken – das tun sie nämlich wirklich andauernd –, und zeigen Fotos mit Asphalt voller Spuckeflecken. Aber die wirkliche Faszination unserer Projekte liegt darin, dass wir echte Reisende sind. Wir entdecken.
Passiert es, dass Sie eine Kategorie im Kopf haben, die einfach nicht funktionieren will?
Jedenfalls nicht so, wie man sich das vorgestellt hat. Im Louvre wollten wir zuerst Bilder von Skulpturen machen. Aber die Dreidimensionalität der Figuren hat einfach nicht als Foto gewirkt. Und bei den Huskie-Bildern am Nordpol haben wir schnell gemerkt, dass nur Hunde einfach nicht reichen, da haben wir noch die Hütten dazu gezeigt.
Auf Ihrer interaktiven Website www.baechtoldsbest.com können Leser eigene Fotos hochladen, Serien ergänzen und neue kreieren. Haben Sie dort schon Fotos für neue Projekte gefunden?
Wir wollen bald auch Themenbücher machen, die über Ländergrenzen hinausgehen, etwa "Die Welt unter Wasser". Dazu werden wir Leserfotos auswählen, von Barbados bis zu den Seychellen.
Ihr nächstes Projekt...
... sind "Schweiz" und "Texas". Die Schweiz ist ja das ultimative Klischee-Land und außerdem eine Postkartenidylle. Ich werde da wohl nicht besonders respektvoll sein. Wir zeigen zum Beispiel "Happy Banker".
Ein bisschen Fröhlichkeit können die im Moment auch brauchen. Benutzen Sie bei Ihren Reisen eigentlich Reiseführer?
Na ja, in Somalia, wohin Claude und ich demnächst fahren, wird’s wohl keinen geben, der up to date ist. Aber für die Schweiz sieht das schon anders aus, da nehme ich einen mit. Reiseführer sind großartig, um die Stereotypen kennenzulernen.
Erschienen sind bislang diese Bücher: "Afghanistan" (Abrams), "Beijing", "Pôle Nord" und "Louvreland" (Éditions Riverboom), 14,90 €; engl. und frz.
Es folgen "Suisse", "Moscou", "Texas", "Irak" und "Iran".
Infos: www.riverboom.com
Das Beste im Internet
Jeder Mensch ist ein (Foto-)Künstler! Das findet neben Joseph Beuys auch das Riverboom- Team und hat deshalb die interaktive Website www.baechtoldsbest.com entwickelt. User können dort Fotos hochladen, an Serien partizipieren, sie kommentieren oder eigene initiieren (und sie sperren, falls sie niemanden mitspielen lassen wollen). Wird ein Bild für einen Reiseführer ausgewählt, wird der Fotograf darin genannt und bekommt ein Gratisexemplar. Und so geht’s: Nach der Registrierung können Sie aus einem Menü ein Land auswählen, eine der vier Hauptkategorien (Menschen, Dinge, Plätze, Natur) und acht Subkategorien; jede Länderserie besteht also aus 32 Bildern.
So sind in der Ägyptenserie "Three Wheelers" (Dinge) etwa nur zwei Fotos vorhanden, die Moskau-Serie "Subway" (Architektur) bereits vollständig (siehe Fotos unten). Sie können gezielt nach Serien suchen oder einfach nur ein bisschen in Baechtold’s Wunderland surfen.