Breslau: Die Stadt der vielen Kanäle
Wer den Begriff „Venedig des....“ nicht mehr hören kann, der sollte trotzdem nach Breslau fahren – am besten mit dem Auto oder dem Zug. Sonst verpasst man die vielen Brücken, die der Metropole in Niederschlesien zu Recht ihren Beinamen geben. Wroclaw, so der polnische Name für Breslau, liegt auf sage und schreibe zwölf Inseln verteilt und an der Oder. Das bedeutet jede Menge Kanäle, mehr als 100 verschiedene Brücken und eine faszinierende Vielzahl an Möglichkeiten und Richtungen.
Besucher tun deshalb gut daran, sich einen Startpunkt zu setzen. Die Altstadt ist dafür perfekt. Rynek – Großer Ring - nennen die Polen den mittelalterlichen Markplatz in der Mitte der Fußgängerzone, die ganz unbedingt einen Bummel wert ist.. Wer hier steht, der sieht und spürt die bewegte Vergangenheit Breslaus.

Markplatz mit Architektschatz
Das gotische Rathaus mit seinen vielen Spitzen, Türmen und Verzierungen hat seine Wurzeln im 13. Jahrhundert. Am Hauptgiebel ist die einzigartige astronomische Uhr aus dem Jahr 1580 mit ihrem Zusammenspiel von Sonne, Mond und Tierkreiszeichen ein fesselnder Hingucker. Zwar haben viele der Gebäude am Großen Ring den Zweiten Weltkrieg nur als Ruine überstanden - wurden aber zum Glück später aufwändig und originalgetreu restauriert.
Das schenkt einem heute den Blick auf verspielte Jugendstil-Häuser, prunkvolle Barock-Fassaden und eine einzigartige Architektur aus der Rennaissance – und das alles rund um einen rechteckigen Platz, der gerade mal 205 Meter lang und 175 Meter breit ist. Wer polnisches Essen und einheimisches Bier nicht verpassen will, sollte hier unbedingt in das Restaurant Pod Fredra gehen. Der tradtionelle Sauerkraut-Eintopf „Bigosch“ mit Fleisch und Wursteinlage ist einen Besuch wert – Volksmusik aus der Konserve inbegriffen.
Die Verbindung des polnischen Stadtnamens Wroclaw geht ebenso wie die deutsche Variante Breslau vermutlich auf den böhmischen Herzog Vratislav I. zurück. Er hat im frühen 10. Jahrhundert über Breslau geherrscht und gilt als Gründer der Stadt. Groß wurde Breslau dann durch seine oft umkämpfte Geschichte und ein einschneidendes Ereignis.
Piasten eroberten Breslau
Im Jahr 990 eroberte der Piasten-Herzog Mieszko I. die Stadt. Die Piasten waren eine polnische Herrscherdynastie, die sich später mit dem deutschen Adel in Schlesien vermischte und verbündete. Die Gründung des Bistums Breslau im Jahr 1000 führte zum Ausbau der Dominsel, die auch heute existiert.
Den Weg dorthin kann man gar nicht verfehlen. Die beiden 98 Meter hohen Türme der Johanneskathedrale sind die höchsten Kirchentürme der Stadt. Tatsächlich ist die Dominsel aber heutzutage keine Insel mehr, sondern ein Stadtviertel. Ein Flussarm der Oder wurde Anfang des 19. Jahrhunderts zugeschüttet. Ein Abstecher zu Fuß über das Wasser ist trotzdem möglich. Die kleine Dombrücke verbindet den Stadtteil mit der benachbarten Sandinsel.

Dominsel als geistliches Zentrum
Auf der Dominsel ist der Name Programm. Es sind gleich mehrere interessante Kirchen zu sehen. Schließlich war hier vor Jahrhunderten das geistliche Zentrum der Stadt. Neben der gotischen Johannes-Kathedrale mit Teilen aus dem 13. Jahrhundert steht dort auch das älteste erhaltene Gebäude in Breslau, die Ägidiuskirche. Sie wurde vermutlich um das Jahr 1220 errichtet.
Mehr weltlich, aber trotzdem sehenswert, ist der Botanische Garten gleich in der Nachbarschaft. Die Anlage aus dem Gründungsjahr 1811 hat heute eine Fläche von 75.000 Quadratmetern und zeigt mehr als 7.500 verschiedene Pflanzenarten. Das Gelände und die Gebäude auf der Dominsel stehen unter Denkmalschutz.
Mit dem Boot rund um die Altstadt
Das perfekte Transportmittel in Breslau ist neben Straßenbahn und Bus – wer hätte das gedacht – natürlich das Boot. Wer sich die vielen Inseln, historischen Gebäude, Parks und anderes in Ruhe ansehen will, der kann getrost den Wasserweg nehmen. Es gibt verschiedene Angebote von der reinen Bootstour auf der Oder bis zur Tour mit Anlegepunkten und Ausflug.
Die Jahrhunderthalle im beliebten Szczynicki-Park ist einen Abstecher über die Oder und einen Besuch wert. Das imposante Gebäude wurde im Jahr 1913 gebaut. Beide Weltkriege konnten der Stahlbeton-Konstruktion nichts anhaben. Wer ein Konzert in dem geschichtsträchtigen Bau mit 6000 Sitzplätzen erleben kann, sollte das unbedingt tun.
Breslau als Europäische Kulturhauptstadt
Seit 2006 zählt die Jahrhunderthalle zum UNESCO-Weltkulturerbe. Breslau selbst war im Jahr 2016 Europäische Kulturhauptstadt. Die wechselvolle Geschichte der Stadt wurde von internationalen Künstlern mit Aktionen im Straßenbild aufgegriffen. Dazu gehörte auch eine 14 Meter hohe Installation auf dem Markplatz Rynek als Sinnbild für die Vergangeneit und Zukunft von Wroclaw.
Pflichtprogramm in der Stadt an der Oder ist ein Besuch im Zoo. Die weitläufige Anlage liegt praktischerweise direkt neben der Jahrhunderthalle und bietet jede Menge Platz zum Spazierengehen und Erleben. Tatsächlich ist der Zoo von Wroclaw mit mehr als 1100 verschiedenen Tierarten der drittgrößte zoologische Garten der Welt.
Protestsymbole für Polen
Ein ganz andere Art findet man fast überall im Stadtbild von Breslau: Zwerge. Es sollen inzwischen über 600 Stück sein. Zum Glück bewegen sich die gut 30 Zentimeter großen Bronzefiguren nicht. Tatsächlich macht es großen Spaß, die Zwerge auf der Stadttour zu suchen. Wer die meisten findet, hat gewonnen. Die Zwerg-Figuren werden unter anderem vom Studenten und Künstlern aufgestellt. Sie gehen als Symbol auf die Proteste in den 1980er-Jahren gegen die kommunistische Regierung in Polen zurück.
Moderne Metropole in Schlesien
Die Freizügigkeit im heutigen Breslau spiegelt sich auch im Nachtleben wider. Mit rund 140.000 Studenten ist die Metropole in Schlesien eine wahre Fundgrube für Nachtschwärmer. Es gibt Clubs und Bars von der Bierkneipe bis zur Techno- Diskothek. Die meisten Treffpunkte sind in der Altstadt rund um den Markplatz Rynek – den Großen Ring.
Aber Breslau wäre nicht Breslau, wenn es nicht auch eine Draußen-Kultur hätte. Immerhin hat die Stadt die meiste Grünfläche pro Einwohner in Polen. Mit dem Frühling beginnt die alljährliche Festival-Zeit: das Festival des guten Bieres, das Jazz-Festival auf der Oder, das internationale Straßentheater-Festival. Es lohnt sich, vor der Anreise auf den Festivalplan zu gucken.
Inmitten der vielen Veranstaltungsplätze gibt es einen besonders beliebten Ort: DieSandinsel neben der Dominsel. Denn auch, wenn „Wroclaw“ im Laufe seiner langen Geschichte viele Veränderungen erlebt hat. Eines bleibt Breslau immer: Die Stadt der Inseln, Kanäle und Brücken.