Der eintägige Kurs wird jede Woche dienstags und mittwochs angeboten, ab drei Teilnehmern auch an anderen Tagen. Buchungen sind vorab Online möglich und vor Ort im Tourismusbüro (Ramsau 372) sowie in der Skischule Ramsau (Schildlehen 83). Inklusive Skipass und Leiausrüstung kostet der Tiefschneepass 69 Euro pro Person.
Es dauert. Es dauert, bis wir alles beisammen haben: Board oder Ski, Schneeschuhe, Stöcke und Rucksäcke mit Lawinen-Piepser, Schaufel und Sonde. Während die einen ihre Handgriffe bereits kennen, stehen andere etwas hilflos vor der Ausrüstung. "Du brauchst noch Schneeschuhe", sagt Marisa. "Aber ich fahre doch Snowboard", entgegne ich. "Für den Weg durch den Tiefschnee brauchst du Schneeschuhe", mischt sich Bergführer Peter Perhab ein. Nun gut, ich lege also noch Schneeschuhe auf meinen stetig wachsenden Materialberg und beginne mich zu fragen, wie ich damit gen Gipfel marschieren soll. Denn vor uns liegt kein gewöhnlicher Tag auf der Piste, sondern der sogenannte Tiefschneepass und das imposante Panorama des Dachstein-Gletschers. Peter macht den letzten Materialcheck und dann geht es los.
Immer mehr Wintersportler interessieren sich für die Strecken jenseits der präparierten Pisten, die wenigsten aber können sich sicher durch den Tiefschnee navigieren. Lawinen gehen ab, Kräfte werden überschätzt und immer wieder muss die Bergrettung ausrücken, um unerfahrene Tourengänger zu bergen. Deswegen hat sich die Region Ramsau in der Steiermark den Tiefschneepass einfallen lassen. "Wir hoffen damit all diejenigen abholen zu können, die sich für das Tourengehen interessieren, aber noch kaum oder keine Erfahrung damit gemacht haben und somit gewisse kritische Situationen in Zukunft vermeiden zu können oder zu minimieren", sagt Elias Walser, Leiter des Tourismusverbands und Mitentwickler der Idee. Zudem geht es um die Sensibilisierung für die Gefahren, die die meterhohe weiße Pracht birgt. Denn so schön und jungfräulich, wie sich die Hänge unterhalb des Gletschers uns heute zeigen, sind sie nicht immer. Ein Wetterumschwung, eine zugewehte Gletscherspalte oder zugepuderte Felsen sind so manchem Tiefschnee-Anfänger, auch in Ramsau, bereits zum Verhängnis geworden. "Wir liegen unten in der Ramsau auf 1200 Metern, im Tal fühlt sich der Gast sicher. Doch mit Hilfe der guten Infrastruktur, wie der Seilbahn, ist er innerhalb von 30 Minuten in einem hochalpinen Gelände, wo es, wenn das Wetter nicht mitspielt, sehr schnell, sehr ungemütlich werden kann. Ich denke, es ist Aufgabe der Tourismusregion, den Gast dafür zu sensibilisieren, " sagt Elias Walser weiter.
Die Piste sehen wir nur kurz – wir überqueren sie zu Fuß, am Rand schnallen sich die Boarder ihre Schneeschuhe unter und die Skifahrer beziehen die Wachsschicht mit Fellen, um ohne Rutschen den Berg hinauf zu kommen. Stöcke werden ausgefahren und dann stiefeln wir im Gänsemarsch durch den Tiefschnee. Schnell stelle ich fest, dass Schneeschuh-Laufen mit Snowboard auf dem Rücken bergauf körperlich doch eine andere Hausnummer ist, als die Pisten runterzufahren. Belohnt werden wir für unsere Mühen mit Kaiserwetter – blauer Himmel, Sonnenschein und Pulverschnee. Doch auch ein Tag wie dieser kann trügerisch sein, erklärt Peter, während wir durch den Schnee stapfen: "Es ist für mich absolut verständlich, dass Urlauber in den Tiefschnee wollen, wenn es über Nacht geschneit hat und am nächsten Tag die Sonne scheint. Doch diese Situation gehört mit zu den gefährlichsten. Man muss sich dann vor allem für die Windstärken interessieren. Denn man sagt nicht umsonst 'der Wind ist der Braumeister der Lawine'. Es kommt dann nämlich zu Schneeverfrachtungen, und somit gibt es mehr Orte, an denen einen Lawine ausgelöst werden kann, als sonst."
Retten lernen
Auf einem Schneeplateau dann die erste Rast: Schneeschuhe wieder aus, Stöcke einfahren und LVS-Geräte rausholen. Die tragen wir bereits am Körper. Sie stehen auf "Senden", denn auch wenn wir heute gerade einmal die Lawinengefahrenstufe 1 erreichen, hätten wir so eine gute Chance, gefunden zu werden, sollte sich doch ein Schneebrett lösen. Damit wir in Zukunft wissen, wie auch wir Menschen retten können, die verschüttet wurden, kniet sich Peter in den Schnee. Mit seinem Finger zeichnet er das gängige Muster bei einer Lawinenrettung in die weiße Fläche. Anstatt mit dem LVS-Gerät draufloszulaufen und auf ein Signal zu hoffen, was ich bisher getan hätte, hat eine solche Rettung System. Vom oberen Rand der abgegangenen Lawine wird sie in ihrer Breite überquert, 30 Meter tiefer dann in die entgegengesetzte Richtung. Den Blick immer auf das kleine Display des LVS-Geräts gerichtet, denn das verrät die Entfernung zum Verschütteten und gibt die Laufrichtung an. Gibt es ein stärkeres Signal des Lawinen-Piepsers, so liegt der Verschüttete in dem eingegrenzten Feld und die Suche kann sich darauf konzentrieren. "Rund 18 Minuten hat man als Retter Zeit, den Verschütteten zu bergen, danach schwinden die Chancen, einen Überlebenden vorzufinden", erklärt Peter. Deswegen ist es für ihn unverzichtbar, mit dem Equipment immer wieder zu trainieren, um auch in kritischen Situationen die Handgriffe abrufen zu können: "Es gibt so viele Leute, die zwar ein LVS-Gerät besitzen, aber die wenigsten trainieren damit. Und das ist gefährlich, denn dann fällt es umso schwerer, es unter Stress zu bedienen. Es gehört für mich zu jeder Tour dazu, das Gerät vorab zu testen, sich nochmal in den Kopf zu rufen, wie es funktioniert und erst dann ins Gelände zu gehen."
Es geht an den Praxistest: Marisa stellt ihr LVS-Gerät auf "Senden" und vergräbt es irgendwo im Schnee. Ich stelle meins auf "Empfangen" und laufe los. Schnell wird mir klar, dass 18 Minuten nicht viel sind. Mein LVS-Gerät piepst und weist mir zuverlässig den Weg, doch bei der Feinarbeit wird es schwieriger. Den geringsten Wert, den ich bekomme, sind 40 Zentimeter, von Peter habe ich gelernt, bei der geringsten Entfernung soll ich anfangen zu graben, was ich tue, doch Marisas LVS-Gerät bleibt verschollen. Bei Minute neun werde ich langsam nervös, dabei suche ich momentan nur ein kleines gelbes Gerät und kämpfe nicht um ein Menschenleben. Nach elf Minuten das erlösende gelbe Schimmern unter den gleißenden Schneekristallen. Hätte es nicht 40 Zentimeter unter der Schneedecke gelegen, sondern zwei bis drei Meter, wie viele Lawinenopfer, wäre es knapp geworden.
Ausrüstung und Wissen entscheidend
Es lohnt. Es lohnt, dieses Wissen in der Praxis zu lernen, anstatt die Gerätschaften nur bei sich zu tragen, wie es für viele Wintersportler bereits zum guten Ton gehört. Ein Problem, sagt auch Elias Walser: "Früher waren die Gäste oftmals sehr schlecht ausgerüstet, sind dann in einen Wetterumschwung gekommen, waren dann durchnässt oder unterkühlt. Heutzutage sind die Gäste zwar Tip-Top ausgerüstet, aber es fehlt ihnen am Verständnis für die Natur."
Wir verlassen das Schneeplateau: LVS-Geräte wegpacken, Schneeschuhe an, Stöcke in die Hand. Es geht weiter den Berg hinauf. "Bitte alle in meiner Spur! Hier gibt es Gletscherspalten", sagt Peter. Im Zick-Zack laufen wir dem Gipfel entgegen, ohne Bekanntschaft mit den gefährlichen Spalten zu machen. Oben angekommen, sind wir uns einig, dass wir uns die langersehnte Tiefschnee-Abfahrt verdient haben. Inzwischen sitzen auch bei mir die Handgriffe: Schneeschuhe und Stöcke am Rucksack befestigen, Board unter die Füße. Vor uns liegt ein Hang, den in dieser Saison bisher nur die Bergführer gefahren sind. Alle LVS-Geräte sind auf "Senden" und die Köpfe auf "Fahren" eingestellt. Seufzend gibt der Schnee unter meinem Board nach, Kurve für Kurve geht es unserem Startpunkt entgegen. Ich genieße die Stille, den Schnee, die Weite und bin froh, dass nicht jeder sich diesen Berg so leicht erschließen kann, wie es auf den ersten Blick vielleicht aussehen mag. Es bedarf der richtigen Ausrüstung und des nötigen Wissens, um sicher hinauf und auch wieder hinunter zukommen. Die kleine Urkunde in meiner Hand bescheinigt mir nun Letzteres: der Tiefschneepass.
Die Recherche wurde unterstützt vom Tourismusverband Ramsau am Dachstein. Dies hat keinen Einfluss auf den Inhalt der Berichterstattung.