Wo die Elbe entspringt
Ich spaziere über weitläufige Plateaus, nasche von den Blaubeeren am Wegesrand und sehe einem Reh zu, wie es hinter den Latschenkiefern verschwindet. In weite Wiesen eingebettet, von Granitsteinen umfasst, auf 1386 Meter Höhe mitten im tschechischen Riesengebirge liegt die Quelle.
So klein und unscheinbar, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie der Fluss, der hier entspringt, einmal die riesigen Containerschiffe des Hamburger Hafens tragen soll. Von ihrem Ursprung will ich der Elbe bis Dresden folgen: 430 Kilometer mit dem Rad auf dem Elberadweg.
1. Elberadweg-Etappe bis Königgrätz
In Spindlermühle wird der Bach Elbe, der sich über kleine Wasserfälle den Weg ins Tal gebahnt hat, zum seichten Fluss. Ich radle, vorwiegend auf Landstraßen. Gelbe Schilder, die den Radweg ab Hohenelbe durchgängig markieren, leiten mich über Asphalt, auf verwurzelte Waldwege und holprige Wiesenpfade. Als ich nach 44 Kilometern gen Süden auf dem Elbradweg das Städtchen KUKS erreiche, steigt am rechten Ufer das schlossähnliche ehemalige Hospital empor, links liegen die Kuranlagen, in denen Johann Sebastian Bach zu Gast war.
Ich gönne mir inmitten dieser Barockanlage aus dem 18. Jahrhundert auf der Terrasse des Baroque Schweinefilet in Pancetta mit warmem Linsensalat und schwinge mich dann wieder auf den Sattel und folge dem schmalen, sich schlängelnden Fluss auf dem Elbradweg. In Königgrätz, wo Preußen vor gut 150 Jahren Österreich in einer blutigen Schlacht besiegte, durchfließt die Elbe ein Becken, das von Jugendstilhäusern gesäumt wird.
In der Altstadt, farbig wie mit pastellfarbener Palette bemalt machen der gotische Backstein der Heilig-Geist-Kathedrale und der Weiße Turm aus der Renaissance auf sich aufmerksam. Studenten tummeln sich auf den Terrassen der Bars rund um den Marktplatz. Im rustikalen Backsteinambiente des Šatlavagenieße ich einen Porto-bello-Burger mit Ziegenkäse und Rucola, bevor ich mich im Hotel Okresní Dům hinter originaler Jugendstilfassade von den ersten 95 Kilometern erhole (DZ ab 64 €).
2. Elberadweg-Etappe bis Podiebrad
Nach 23 Kilometern führt mich der Elbradweg von der in Wiesen gebetteten Elbe weg, am Schloss und an den im Garten stolzierenden Pfauen vorbei hinein nach Pardubitz. In den Kopfsteinpflaster-Gassen entdecke ich zahlreiche Häuser der Pernštejn-Familie aus dem 16. Jahrhundert. Die Fresken an ihren Bauten zeigen die damaligen Bewohner. Auf dem Hauptplatz prunkt das zweitürmige Rathaus aus der Neorenaissance, an das sich prächtig gestaltete Bürgerhäuser reihen.
In Kladrub mache ich Halt im tschechischen Nationalgestüt, wo seit mehr als 400 Jahren Altkladruber gezüchtet werden. Statt von meinem Sattel auf den eines Schimmels umzusteigen, streichle ich den Tieren über die Nase und mache mich auf den Weg.
Nach 48 Kilometern auf dem Elberadweg über teils sandige Wege und schmale Waldpfade erblicke ich das imposante Renaissanceschloss am Elbufer von Podiebrad und weiß, ich habe mein Etappenziel gleich erreicht! DasHotel Golfizapft die berühmten heilenden Mineralquellen zwar nicht selbst an, organisiert mir aber eine Wellness-Einheit im Kurhotel (DZ ab 70 €).
3. Elbrad-Etappe bis Mělník
75 Kilometer folge ich auf dem Rad an diesem Tag dem Fluss, der sich durch Felder, kleine Wälder und Dörfer windet. Eine rote Backsteinmauer schottet die Stadt Nimburg seit dem Mittelalter zur Elbe hin ab. In Mělník, wo die Elbe auf die Moldau trifft, thront über dem Zusammenfluss das Schloss, dessen Nachbarin ich werde für eine Nacht im hellen Apartment unter dunkler Holzbalkendecke im Apartmány U Zámku (DZ ab 47 €).
4. Elberadweg-Etappe bis Aussig
Als ich an der Jesuitenkirche und dem Stephansdom von Leitmeritz vorbeiradle, habe ich bereits mehr als zwei Drittel der Strecke hinter mir. Die Elbe schlängelt sich als inzwischen breiter und immer noch wilder Strom durchs böhmische Mittelgebirge.
Für ein Glas Müller-Thurgau und die ältesten Weinkeller Böhmens aus dem 13. Jahrhundert lege ich einen Halt ein bei Žernosecké vinařství s.r.o. Die Weinberge werden bald darauf von weitläufigen Getreidefeldern, Kuhweiden und Blumenwiesen abgelöst, auf der Elbe schippern Segel- und Motorboote in kleine Häfen. Die Burg Schreckenstein, in der sich Richard Wagner für seine Oper "Tannhäuser" inspirieren ließ, sieht aus, als wäre sie mit dem Felsen, auf dem sie thront, verschmolzen.
In Aussig führt eine Seilbahn zum Schlösschen Větruše. Der Blick reicht über die Elbe, die sich durch die geschichtsträchtige Industriestadt schlängelt, in der heute noch vieles produziert wird – von Schallplatten bis hin zu Gartenzwergen. Im Hotel Větruše an der Seilbahnstation klingt ein anstrengender Tag aus: mit Sauna, Whirlpool und Zimmer mit Elbblick (DZ ab 92 €).
Endspurt nach Dresden
Im gemütlichen KellerlokalU růžové zahrady von Familie Lorenc in Tetschen-Bodenbach bereite ich mich nach einem halben Tag auf dem Rad aufs Finale der Radtour vor. Das Ufer säumt rosa blühendes Springkraut, hinter dem das Elbsandsteingebirge wie steinerne Zacken aus dichtem Wald hochsteigt.
Ich entdecke das Prebischtor, das größte natürliche Sandsteintor Europas, bevor ich an dem weiß-rot-blau gestrichenen Holzpfeiler bei Herrnskretschen halte: der Grenze. Auf dem Weg tummeln sich jetzt mehr Radler, Kneipen laden auf eine Jause ein, das rechte Ufer ist mit Fachwerkhäusern geschmückt.
Bei Rathen die nächste beeindruckende Kulisse: die Basteibrücke steigt zwischen den zerklüfteten Felswänden empor. Am Schloss Pillnitz und seiner Gartenanlage steige ich auf den Raddampfer um. Die letzten Kilometer möchte ich ohne Anstrengung durch die Landschaft schippern – mit Blick auf die Schlösser und Villen am Ufer, bis das Schiff an der Altstadt von Dresden anlegt.
Anreise zur Quelle der Elbe
- Busse fahren mehrmals täglich von Prag in ca. 3 Stunden nach Spindlermühle: www.jizdnirady.idnes.cz
- Sven Czastka liefert Trekking- und E-Bikes und organisiert Gepäcktransporte, Transfers und Hotels: www.cyklopujcovna.com