Bäume sind für den Klimaschutz enorm wichtig: Sie filtern Schadstoffe aus der Luft, schützen mit ihren Wurzeln den Boden vor Erosion und entziehen der Atmosphäre klimaschädliches CO2. Und weil in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten weltweit massenhaft Bäume abgeholzt wurden und noch immer werden, kommt man mancherorts nicht umhin, ehemalige Wälder wieder aufzuforsten, neue Bäume zu pflanzen und andere natürliche Ökosysteme wiederherzustellen – zumindest, wenn man den Zielen des Pariser Klimaabkommens auch nur annähernd nahe kommen und den globalen Temperaturanstieg wenigstens noch auf unter 2 Grad Celsius begrenzen will. Deshalb wird aufgeforstet, vor allem in Afrika. Dort soll sich mit der "Great Green Wall" schon bald eine Mauer aus Bäumen quer durch den Kontinent und insbesondere durch die Sahelzone schlängeln. In einigen Ländern, in Kenia etwa, gibt es sogar einen eigenen Feiertag, an dem Bäume gepflanzt werden.
Dass es dabei nicht um blinden Aktionismus und wahlloses Bäumepflanzen gehen darf, wurde bereits in der Vergangenheit diskutiert – und vielen Unternehmen, die mit Baumpflanzungen geworben haben, Greenwashing vorgeworfen. Eine im Fachmagazin "Science" veröffentlichte Studie zeigt jetzt, dass das Problem noch viel größer ist – und dass selbst große internationale Baumpflanzprojekte den lokalen Ökosystemen mancherorts mehr schaden als nützen.
Die Forscherinnen der Universitäten Pretoria und Liverpool untersuchten in ihrer Studie die geplanten Aufforstungsmaßnahmen der African Forest Restoration Initiative (AFR100), einer Initiative des Bundesentwicklungsministeriums, der Afrikanischen Union und des World Resources Institute, die sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 100 Millionen Hektar ökologisch degradiertes Land aufzuforsten, zu regenerieren und wiederherzustellen. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Projekte pflanzt Bäume nicht auf ehemaligen Waldflächen, sondern in Graslandschaften und Savannen – wo die Bäume das lokale Ökosystem schädigen.
Bäume stören in den wertvollen Ökosystemen etwa den Wasserzyklus und werfen Schatten, in dem lichtliebende Pflanzen nicht länger gedeihen können. Sterben sie ab, verschwinden mit ihnen Vögel und Insekten. Auch die Jagdgebiete und Lebensräume großer Wildtiere wie Löwen oder Nashörner verändern sich.
Aufforstung trägt mancherorts zum Artensterben bei
"Es kursiert in weiten Teilen der Öffentlichkeit die Vorstellung, Bäume zu pflanzen sei per se gut, denn es binde Kohlenstoff und trage dazu bei, den Klimawandel zu bremsen. Wir haben aber zwei große planetare Krisen, und das globale Artensterben wird durch die Zerstörung der tropischen und subtropischen Offenlandökosysteme sehr stark angetrieben. Agrarische Umnutzung und insbesondere Aufforstung tragen zum Artensterben sehr stark bei", sagt Dr. Manfred Finckh vom Institut für Pflanzenwissenschaften und Mikrobiologie der Universität Hamburg dem "Science Media Center". "Außerdem sind tropische Offenlandökosysteme sehr wichtige Kohlenstoffspeicher. Allerdings liegt der Großteil des Kohlenstoffs in Savannen und tropischen Grasländern in Form von Wurzeln, Speicherorganen und organischen Verbindungen im Boden, statt in den Stämmen der Bäume. Aufforstung schadet dem Bodenkohlenstoffspeicher jedoch in vielen Fällen und hat auch deshalb keine klimapositive Wirkung."

In den am Projekt beteiligten afrikanischen Ländern gibt es der Studie zufolge insgesamt 176 Millionen Hektar degradierte Waldflächen, zusammen haben sich die mehr als 30 Staaten verpflichtet, 133 Millionen Hektar Wald wieder aufzuforsten. Allerdings sind unter den teilnehmenden Ländern acht Staaten, die derzeit über gar keine Waldfläche verfügen. Und in etwa der Hälfte der Länder ist die potenzielle Aufforstungsfläche größer als die tatsächliche Waldfläche. So befinden sich 70 Millionen Hektar der Aufforstungsfläche – das entspricht 52 Prozent der Gesamtfläche – in nicht bewaldeten Ökosystemen.
Die alles entscheidende und oft missverstandene Frage dabei: Wann ist ein Wald ein Wald? Laut der offiziellen Definition der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen genügt es schon, wenn die Baumkronen mindestens zehn Prozent der Fläche bedecken. "Salopp gesagt würde jede deutsche Kleingartenanlage dieses Kriterium erfüllen", sagt Finckh. "Die Feuchtsavannen Afrikas, die von natürlichen Bränden und großen Pflanzenfressern offen gehalten werden, erfüllen dieses Kriterium auch, weil dort Mosaike von Gehölzgruppen und Grasflächen mit Einzelbäumen durcheinander vorkommen."
Bäume pflanzen ist sinnvoll – aber nicht überall
Ein weiteres Problem: Bei fast 60 Prozent der aufgeforsteten Bäume handelt es sich nicht um einheimische Arten, sondern um schnell wachsende gebietsfremde Bäume wie Eukalyptus. Diese gefährden den lokalen Wasserhaushalt – und können noch ganz andere Probleme verursachen. So zeigte eine aktuelle Studie aus Lateinamerika, dass gebietsfremd gepflanzte Bäume wie der schnell wachsende, aber leicht entflammbare Eukalyptus zumindest mitverantwortlich sind für die dort immer heftiger werdenden Waldbrände.
So groß die durch die Studie aufgedeckten Probleme auch sind – zu folgern, dass Aufforstungen generell schädlich sind und gestoppt werden sollten, wäre falsch. "Der Artikel widerlegt auf keinen Fall die Notwendigkeit von Aufforstung in all jenen riesigen Gebieten in Afrika, die vormals bewaldet waren und heute stark degradiert sind", sagt Sven Günter vom Institut für Waldwirtschaft am Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, dem "Science Media Center". "Aus dem Artikel lässt sich nicht ableiten, dass alle Aufforstungsmaßnahmen in Afrika in eine falsche Richtung laufen, sondern er hinterfragt Projekte an der Übergangszone zu Savannen."
Fest steht aber: Damit die Aufforstungen überall sinnvoll sind, muss sich etwas ändern. Die Autorinnen weisen etwa darauf hin, dass gerade in ärmeren Ländern durch hochdotierte Projekte Anreize geschaffen werden, Bäume auch auf solchen Flächen zu pflanzen, die für eine Aufforstung eigentlich nicht geeignet sind. Dahinter stecke oft keine böse Absicht, sondern mangelndes Wissen über die lokalen Ökosysteme. Um sich nicht dem Verdacht des Greenwashings auszusetzen, sollten Industrieländer wie Deutschland ihre milliardenschweren Klimaprogramme daher künftig transparenter angehen –und vor allem mit mehr Know-how.

Warum neu gepflanzte Wälder oft eine kurze Lebensdauer haben
Ines Possemeyer, Geschäftsführerin von "GEO schützt den Regenwald" e.V., plädiert für Alternativen zur Aufforstung
Die Studie zeigt, dass es nicht damit getan ist, möglichst viele Bäume zu pflanzen. Das mag in CO2-Bilanzen gut aussehen, aber leider nicht vor Ort. Dort entstehen oft Monokulturen aus schnellwachsenden Eukalyptus- und Akazienbäumen. Die werden nach spätestens 20 Jahren wieder abgeholzt, um als kurzlebiges Bauholz eingesetzt oder zu Holzkohle verarbeitet zu werden. Das zuvor gespeicherte Treibhausgas CO2 entweicht also schnell wieder in die Atmosphäre. Solche "Wälder" taugen nicht als langfristige Kohlenstoffspeicher. Und zugleich schaffen sie ökologische Wüsten, in denen die heimische Flora und Fauna nicht mehr vorkommt.
Um abgeholzte oder degradierte Wälder wiederherzustellen, bedarf es lokaler Arten. Sie von Menschenhand zu ziehen und zu pflanzen ist mühsam und teuer. Es gilt daher immer vor Ort zu prüfen, ob natürliche Regeneration effektiver ist. In den Projekten des Regenwaldvereins nutzen wir beides. Dabei arbeiten wir immer mit den lokalen Gemeinden zusammen. Denn nur sie können den langfristigen Schutz der Wälder sicherstellen. Und das gelingt nur, wenn wir ihnen zugleich helfen, Landwirtschaft und Einkommen zu verbessern.
Mit möglichst vielen neuen Bäumen ist es also nicht getan. Und was nützen sie, wenn bestehende Ökosysteme weiter zerstört werden? Alte Wälder speichern mehr CO2 als neue, und sie erhalten die Biodiversität. Doch ihr Schutz steht leider zu oft auf einem anderen Blatt Papier: So verkünden manche afrikanische Regierungen große Aufforstungskampagnen – und vergeben zugleich großflächig Abholzungskonzessionen. Auch viele Geber investieren lieber in neuen Wald, als den Druck auf die alten zu senken – etwa durch holzsparende Kochöfen oder saubere Energie aus Biogas, Wasser- oder Solarkraft. Aus Mangel an Alternativen kochen in Ostafrika 95 Prozent der Menschen mit Holz oder Holzkohle, in Westafrika 83 Prozent. Solange das so bleibt, haben auch neue Wälder eine kurze Lebensdauer.