Als die ersten Wildschweine kamen, da waren die Grünbrücken, die die A3 und die L284 zwischen Köln und Rösrath überspannen, noch gar nicht fertig. Die Tiere drückten die Bauzäune hoch, zerwühlten die frische Erdkrume und suhlten sich voller Wonne in den Wassermulden, die eigentlich Lurchen zur Erfrischung dienen sollten. Der Rotte folgten Rehe, am 13. Januar 2014, kurze Zeit nach der offiziellen Eröffnung, fotografierten Wildkameras bereits das erste Rotwild: einen stattlichen Hirsch.
Heute, knapp zweieinhalb Jahre später, scheinen die Übergänge zwischen der Wahner Heide und dem Waldgebiet Königsforst unter einheimischen Tieren fast so beliebt zu sein wie der Jakobsweg bei Pilgern. Dutzende wilder Spezies – und ein schwarz-weißes Hauskätzchen – werden von den Fotofallen regelmäßig, zum Teil sogar täglich, beim Pendeln zwischen den beiden Naturschutzgebieten rechts und links der Straßen erfasst oder hinterlassen andere Spuren: Neben großen kreuzen auch kleine Säuger wie Marder und Dachse sowie zahlreiche Rote-Liste-Arten wie Feldhasen und Gelbbauchunken die Brücken, während unter ihnen der Verkehr rauscht.
„Die Tiere konnten es offensichtlich kaum erwarten, ihr Terrain auszuweiten“, glaubt Bundesförster Dieter Neumann, der das Revier Wahner Heide betreut. Jahrzehntelang hatten die stark befahrenen Straßen die Biotope wie eine Doppelschneise zerschnitten, weshalb die Reisen wanderfreudiger Tiere meist an einem Zaun endeten – oder im schlimmsten Fall auf einer Windschutzscheibe. Nun hat sich ihr „Streifraum“ auf 8250 Hektar fast verdoppelt.
Ein glücklicher Einzelfall in einer ansonsten von Straßen zerstückelten Republik? Keinesfalls! Wie zwischen Wahner Heide und Königsforst spinnen Naturschützer aus Verbänden und Behörden derzeit ein grünes Wegenetz übers Land. Meist leise zwar und vielerorts fast unbemerkt, dahinter jedoch steht das 2010 reformierte Bundesnaturschutzgesetz: Es verpflichtet die Länder, bis zum Jahr 2020 ihre Biotope so zu vernetzen, dass auf mindestens zehn Prozent ihrer Fläche ein „Grünverbund“ entsteht. Unüberwindliche Schneisen wie die A3 oder die L284 sollen von vornherein verhindert werden.
Das Ziel laut Paragraf 1 BNatSchG: Zur dauerhaften Sicherung der Biodiversität „sind lebensfähige Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten zu erhalten und der Austausch zwischen den Populationen sowie Wanderungen und Wiederbesiedelungen zu ermöglichen“. Das Gesetz könnte – wenn es denn ernst genommen wird – Deutschland verändern. Es grüner und wilder machen – zu unser aller Vorteil.
Denn nach wie vor verlieren wir unseren natürlichen Reichtum: die Biodiversität. Ein Drittel der rund 72 000 heimischen Spezies steht auf der „Roten Liste der bedrohten Arten“; darunter Luchs und Wildkatze, aber auch Unscheinbares wie die Wiesenschlüsselblume. Wildbienen sind akut vom Aussterben bedroht, Orchideen ebenfalls.
Viele Arten, die einst landesweit verbreitet waren – wie Fischotter oder Fledermäuse –, haben nur in kleinen Habitaten überlebt. Ihre Populationen sind „verinselt“, können sich nicht mehr ausbreiten.
Schuld daran trägt unser Umgang mit der Natur. Bagger und Betonmischer haben jahrzehntelang die Landschaften zerschnitten und versiegelt. 250 000 Kilometer überörtliche Straßen kreuzen das Land, verbinden Städte, Dörfer, Menschen – aber durchtrennen die Lebensräume wilder Tiere und Pflanzen. Wo kein Asphalt liegt, hat uns die Hochleistungslandwirtschaft mit ihren Monokulturen nebst Chemieeinsatz artenarme Agrarbrachen beschert. Dazwischen schrumpfen die Reste „echter“ Natur jeden Tag weiter.
Die Folgen für die Artenvielfalt sind dramatisch. Nahrungsketten werden unterbrochen, Wildtieren gehen die Streifflächen verloren, die sie brauchen, um Futter zu suchen – und Partner. Der Austausch, der so wichtig ist, um den Bestand stabil zu halten, nimmt ab. Bei Luchsen oder Auerhühnern droht Inzucht, weil die Tiere auf zu kleinem Raum eingesperrt sind. Junghirsche können ohne eigenes Revier keine neuen Rudel gründen. Blüten fehlen die Bestäuber. Kurz: Die Genpools verarmen und mit ihnen das gesamte Ökosystem – an Land, in der Luft, im Wasser.
Nur wenige Spezies sind so hartgesotten wie Wildschweine, die zur Not auch Zäune wegdrücken. Ohne frisches Genmaterial werden Wildpopulationen immer anfälliger gegen Krankheiten. Das läuft bei uns nicht anders als am Amazonas oder auf Borneo.
Leben braucht Platz. Und Tiere brauchen große Reviere.
Diese Öko-Misere verträgt sich schlecht mit den internationalen Abkommen zu Natur- und Artenschutz, die Deutschland unterzeichnet hat. Mit dem neuen Naturschutzgesetz hat die Bundesregierung daher die Umkehr befohlen – und 2012 das „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ gestartet. Es soll einen Habitatverbund schaffen, menschengemacht, aber natürlich genug, damit sich unter Druck geratene Populationen erholen können. 93 „prioritäre Wiedervernetzungsmaßnahmen“, sprich Querungen über Autobahnen und Bundesstraßen, sind geplant, allein Bayern hat vor, 65 weitere zu errichten. Ergänzt werden sie durch „wilde Korridore“ für andere Arten wie Fischtreppen an gestauten Flüssen, Amphibienquerungen oder Feuchtstreifen aus Tümpeln für Watvögel oder Libellen.
In der Wahner Heide ist die „Wiedervernetzung“ bereits in vollem Gange. Das Gebiet bildet zusammen mit dem Königsforst die einzige größere „grüne Insel“ im Ballungsraum Köln–Bergisch Gladbach–Rösrath–Troisdorf und ist daher auch für die Anwohner von größ-ter Bedeutung.
Ursprünglich war die Wahner Heide Teil der 50 Kilometer langen „Bergischen Heideterrasse“. Diese zog sich, drei bis fünf Kilometer breit, von der Duisbur-ger Ruhr gen Süden bis zur Sieg. Zu Urzeiten haben hier Auerochsen und Wisente gegrast, ab dem Mittelalter Schaf- und Schweineherden das Offenland weitestgehend waldfrei geknabbert. Dann begann der Mensch vor 100 Jahren, den Heidegürtel zu zerstückeln – ein geradezu klassisches Schicksal deutscher Naturräume.
Allein die Wahner Heide wurde seit 1944 um neun Zehntel ihrer ursprünglichen Fläche dezimiert. Von Westen grätscht der Flughafen Köln-Bonn mitten hinein. Das Gelände südlich davon nutzten bis 2004 belgische NATO-Truppen als Panzerübungsplatz. Inzwischen hat es die Bundeswehr größtenteils für Wanderer freigegeben, warnt aber vor „explosiven Munitionsresten“ abseits der Wege.
Die gesamte Fläche ist von Zivilisation umzingelt: von Straßen, Autobahnen, Siedlungen. Kaum irgendwo ein Platz, an dem weder Flug- noch Autolärm dröhnen. Wer Stille sucht, muss woanders hin.
Als Idyll lässt sich das Schutzgebiet also eher nicht beschreiben; vielmehr als raue, von zu viel Begehrlichkeiten lädierte Naturschönheit. Für viele Anwohner indes ist die Wahner Heide ein kleines Paradies. Und unbedingt schützenswert. Denn sie gilt, trotz allem, als das artenreichste Naturschutzgebiet Nordrhein-Westfalens – dank eines Mosaiks aus Kleinbiotopen, das überlebt hat.
Einer ihrer besten Kenner ist Holger Sticht. Mitte 40, Autor, exzellenter Vogelkenner, ehrenamtlicher BUND-Landesvorsitzender, der, angetan mit einem „Wald-und-Wiesen-Sakko“, stundenlang durch die Heide streift. Die Heide war sein kindlicher Abenteuerspielplatz, als Teenager kämpfte er (vergebens) gegen den Ausbau des Flughafens, den er Fluchhafen nennt, was nicht nur am rheinischen Singsang liegt.
Seit jeher jedenfalls engagiert sich Sticht unermüdlich für das Schutzgebiet. 2001 erreichte er mit Mitstreitern, dass 2866 Hektar als Flora-Fauna-Habitat unter europäischen Schutz gestellt werden. Er ist Mitbegründer des „Bündnis Heideterrassen e.V.“, das sich um die Wiedervernetzung der historischen Teilflächen bemüht, hat Wanderwege markiert und zeigt Besuchern auf Führungen die Vogelwelt. Die zwei Grünbrücken wurden ebenfalls durch eine BUND-Studie initiiert.
Was genau macht die Heide so besonders, Herr Sticht? Seine Antwort kommt spontan: „Ihre Vielseitigkeit. Wer hier mit offenen Augen spazieren geht, erlebt eine Reise durch urtypisch deutsche Landschaftsformen.“ En miniature zumindest: Neben Heideflächen liegen Trockenrasen, auf denen sich kleine Sanddünen auftürmen. Die Agger mäandert durch Auwaldreste. In der Nachbarschaft wachsen Eichenwäldchen und Feuchtwiesen, in denen sich Weiher und sogar ein kleines Moor verstecken. „700 Rote-Liste-Arten haben hier überlebt“, erklärt Sticht, „darunter Raritäten wie der drachenähnliche Kammmolch oder der Kiemenfuß, ein Urzeitkrebs.“ 100 Brutvogelarten sind heimisch, 2500 Käferarten.
Man mag es kaum glauben, doch dieser ökologische Schatz ist dem Militär zu verdanken. Das Sperrgebiet hielt Menschen genauso fern wie Dünger oder Pestizide. Und die Panzer, die mit ihren groben Ketten durch die Gegend fuhren, verhinderten, dass das Land verbuschte. Vielerorts verdichteten sie den Boden so dauerhaft, dass Tümpel entstanden, an denen sich Kreuzkröten oder insektenfangender Sonnentau ansiedelten.
Im Herbst röhren Rothirsche, im Frühjahr leuchtet die pinkfarbene Heidenelke, im Sommer tünchen Ginster und Heidekraut die Offenflächen gelb und zart roséfarben. Seit 2013 gehört die Fläche jenseits von Flughafen- und Bundeswehrgelände zum „Nationalen Naturerbe“ der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Sie soll – genau wie 46 weitere ehemalige Militärstandorte – langfristig als Naturschutzgebiet gesichert werden; dies zählt zu den wichtigsten Regierungsprojekten zum Artenschutz überhaupt. In der Wahner Heide hat die DBU Naturerbe GmbH Bundesförster wie Dieter Neumann beauftragt, das Naturschutzgebiet zu managen.
„Ich sorge mich ausnahmsweise weniger um Wälder, sondern darum, dass offene Flächen waldfrei bleiben“, beschreibt Neumann seinen Job. Dabei gehe er vor „wie ein Bühnenbildner, der vernetzte Landschaften gestalten soll“. Er rodet Birkenbestände, damit sich Heidepflanzen und mit ihnen Tiere wie die Zauneidechse ausbreiten können. Lichtet Laubwälder, um Faltern und Reptilien das Wandern zu erleichtern. Pflanzt auf Flächen abgerissener Kasernen Sträucher, in denen seltene Heckenbrüter ihren Nachwuchs flügge ziehen können. Das Ziel, auch hier: artgerechte Korridore.
Als fleißigste Helfer kommen Ziegen, Esel und eine Herde Wasserbüffel zum Einsatz. „Die Weidetiere arbeiten als mobile Grünbrücken“, erklärt der Förster. „An Fell und Hufen tragen sie ständig Pflanzensamen von A nach B, und wo sie sich im Morast suhlen, entstehen Pfützen für feuchtliebende Arten.“
Wenn das eine Amt nicht weiß, was das andere tut, werden Straßen durch Schutzgebiete geplant.
Eine Grünbrücke zu bauen ist sehr aufwendig“, erklärt Ingrid Hucht-Ciorga, die für die Umweltbehörde Nordrhein-Westfalens das Wildmonitoring betreut. Der Grund: die Kundschaft. Schon Haustiere, das weiß jeder Katzenbesitzer, können überaus anspruchsvolle Zeitgenossen sein. Wildtiere pflegen noch viel mehr Eigenarten, oder sagen wir: spezifische Bedürfnisse.
Um etwa das scheue Rotwild an Grünbrücken zu locken, müssen sie an traditionelle Wildwechsel angeschlossen werden, weil Hirsche zum Beispiel ungern von gewohnten Wegen abweichen. Ebenso wichtig: ein geschützter Zugang für „die Angsthasen unter den Wilden“, wie die Expertin sagt. Denn wie bei Menschen gibt es auch unter Tieren mutige und schüchterne Typen.
Förster Neumann ließ daher Wanderwege sperren; der Geruch eines Spaziergängers, womöglich noch mit Hund, schreckt viele Tiere für Stunden ab. Auf den Brücken wachsen, genau wie im Waldsaum davor und dahinter, Buchen und Eichen. In ihrem Schatten hat er Wassermulden für Amphibien angelegt. Eidechsen bekamen Schottersteine zum Verstecken, Schlangen Wellbleche, um Wärme zu tanken. Der Bundesförster lacht: „Was tut man nicht alles, damit das liebe Vieh sich bewegt.“
Korridore für andere Tierarten sind nicht weniger komplex. Fischotter etwa leben häufig an Bächen, die in Betonröhren unter Straßen kanalisiert wurden. Seltsamerweise fürchten die Tiere sich, durch diese Tunnel zu schwimmen. Klettern lieber die Böschung hinauf und rennen über die Straße – und riskieren, überfahren zu werden. Artenschützer an der Aller, einem Zufluss der Weser, bauten den streng geschützten Tieren daher „Otterberme“: aufgehäufte Steine oder Stege am Rand der Kanalisation, über die sie auf die andere Straßenseite laufen können.
In Biberach auf der Schwäbischen Alb konstruierten Landschaftsökologen zwei futuristisch anmutende Querungsbrücken aus Stahl für Fledermäuse. Tief fliegende Arten wie die Wasserfledermaus brauchen solche Strukturen, um sich zu orientieren.
Ohne die Bauten wäre eine neue Ortsumfahrung nach dem neuen Bundesnaturschutzgesetz nicht genehmigt worden, da sie einen Wald mit 14 streng geschützten Spezies durchschneidet.
Das großflächigste Vernetzungsprojekt aber hat der BUND gestartet: Damit die vom Aussterben bedrohte Wildkatze wieder Artgenossen treffen kann, pflanzen seit 2007 auch mehr als 1000 Freiwillige in zehn Bundesländern Büsche und Bäume, unter denen das scheue Tier sich in fremde Gefilde vorwagen kann. Die Vision der Naturschützer: ein Waldnetzwerk von 20 000 Kilometer Länge zu schaffen.
Es ist der aufwendigste Versuch, zu retten, was zu retten ist – damit es gefährdeten Arten nicht so ergeht wie dem Wildpferd oder Schultz’ Hundsveilchen: Sie würden für immer verschwinden.
Na und?, kann man sagen. Wer vermisst schon das Wildpferd? Wer würde das Veilchen mit diesem merkwürdigen Namen überhaupt erkennen? Rechtfertigt der Schutz der Artenvielfalt Ausgaben in Millionenhöhe?
Ja, denn der Biotopverbund ist kein Projekt romantischer Ökos, die von Urlandschaften träumen. Es geht auch um unsere Lebensqualität. Nur eine intakte Natur, nur ein Ökosystem, in dem jede Art ihre Rolle spielen kann, ist in der Lage, jene „Dienstleistungen“ zu erbringen, die wir für selbstverständlich halten: Wir brauchen fruchtbare Böden, um uns zu ernähren. Saubere Luft, um gesund zu bleiben. Sauberes Wasser. Insekten, die Obstbäume bestäuben.
Eine einzige Fledermaus beispielsweise frisst, wenn sie eine Nacht lang jagt, Tausende Insekten, viele davon sind Schädlinge von Nutzpflanzen. Je nach Art verschlingt eine Fledermaus eine Insektenmenge, die einem Drittel ihres Körpergewichts entsprechen kann. Der Appetit der Flattertiere spart Pestizide. Der Ertrag, den sie allein in Schleswig-Holstein „erarbeiten“, liegt bei 2,5 Millionen Euro im Jahr, hat der Segeberger Experte Florian Gloza-Rausch ausgerechnet. Dass dennoch alle Fledermausarten gefährdet sind, zeugt also nicht nur von ökologischem, sondern auch von ökonomischem Unverstand.
Grünbrücken wiederum verringern die Gefahr von Wildunfällen. Bundesweit registriert die Polizei etwa 240 000 Auto-Tier-Kollisionen pro Jahr, die Versicherungsschäden von über 500 Millionen Euro verursachen. Im Schnitt sterben 200 000 Rehe. Und 20 Menschen.
Und selbst wenn es nicht um Leben und Tod geht: Will nicht jeder Mensch in einer vitalen Landschaft leben? Die Wahner Heide etwa dient zwei Millionen Menschen als Naherholungsgebiet – allein daher ist der Schutz solcher Flächen wichtig.
Bleibt die Frage: Reichen die Anstrengungen zur Biotopvernetzung aus? Naturschutzbund (NABU), BUND und ADAC sind sich einig: Nein. Sie schätzen den Bedarf an Grünbrücken deutlich höher ein als das „Bundesprogramm Wiedervernetzung“. Selbst Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zweifelt wohl am Erfolg des Regierungsvorhabens. Ende 2015 startete sie daher die „Naturschutz-Offensive 2020“. Sie soll, unter anderem, den viel zu lahmen Planungen neuen Schub verschaffen. Und der ist nach Meinung der großen deutschen Umweltverbände dringend nötig.
„Die Ziele, die bis 2015 hätten erreicht werden sollen, wurden klar verfehlt“, kritisieren BUND, NABU, WWF und andere. Bis Ende 2014 schlummerten laut NABU-Recherchen drei Viertel der versprochenen 93 Projekte in den Schubladen. Das Konjunkturpaket II realisierte demnach bislang 18 Grünbrücken, 17 sind fertiggestellt. Aus den Töpfen des zuständigen Verkehrsministeriums von Minister Alexander Dobrindt wurde erst ein Landschaftstunnel realisiert, zwei Grünbrücken sind im Bau, neun weitere geplant.
Weder die Umwelt- noch die Verkehrsbehörden haben derzeit einen genauen Überblick, wo und wie viele Grünbrücken insgesamt in Deutschland stehen oder in Planung sind, sprich finanziert werden. Auch daher fordert BUND-Vorstand Hubert Weiger: „Die Biotopvernetzung braucht einen eigenen Etat. (...) Nur so kann sie verlässlich realisiert werden.“
Noch dringender scheint das Land Behörden zu brauchen, die Naturschutz und Straßenbau nicht gegeneinander ausspielen. Dazu kommt es nämlich weiterhin. Die geplante A14, die Magdeburg mit Schwerin verbinden soll, ist ein besonders grotesker Fall. Das Verkehrsministerium hat den Verlauf der Autobahn so skizziert, dass sie allein im Bio-sphärenreservat Flusslandschaft Elbe drei EU-Vogelschutzgebiete und sieben weitere Schutzgebiete des NATURA-2000-Netzes irreversibel oder möglicherweise schädigen würde. Dieses ist Teil eines EU-weiten Verbunds von Schutzzonen; wilde Korridore auf europäischem Level sozusagen.
Der BUND Sachsen-Anhalt sieht den Schutz seltener Tiere nicht ausreichend berücksichtigt und wird daher weiter gegen die Planungen klagen. Er hält sie für widerrechtlich – und für unsinnig: Warum grüne Korridore schaffen, die man gleich wieder zerstört?
Damit bei all den Anstrengungen für Fauna und Flora auch die Menschen nicht zu kurz kommen, hat die DBU im April 2016 in der Wahner Heide auch eine Art „Korridorprogramm für Zweibeiner“ eingeweiht: eine Audio-App, mit der Wanderer per QR-Code interessante Fakten über die Natur vor ihren Augen herunterladen können, etwa zu den Wasserbüffeln. Auch Menschen freuen sich schließlich, wenn ihnen neue Wege eröffnet werden.