"Betcherrygah", so nannten die Aborigines, mit denen der Entdecker John Gould im 19. Jahrhundert unterwegs war, die gelb-grünen Kleinpapageien. Das bedeutet: "gut zu essen". Aus diesem Namen entstand die englische Bezeichnung für Wellensittiche, "budgerigar" oder kurz "budgie". Für die australischen Ureinwohner waren Wellensittiche allerdings weit mehr als nur Speise. Wie alle Wesen in der Natur wurden sie verehrt als Ahnen aus der mythologischen "Traumzeit".
Bis heute existieren bei den Aborigines Familien von "Verantwortlichen", deren Mitglieder die traditionellen Malereien in "Budgerigar Spirits" aufrechterhalten. Früher waren diese Bilder vergänglich, sie wurden zeremoniell nur auf die Erde oder als Körperbemalung aufgetragen. Heute verwenden Aborigine-Künstler die Motive auch auf Leinwand oder Keramik. Zu sehen sind keine Abbilder der Vögel. Die Bilder bestehen aus kunstvoll gepunkteten abstrakten Mustern. Sie symbolisieren die Orte, an denen die Geister der Wellensittich-Ahnen in der Traumzeit die Landschaft und das Leben darin geformt haben. Von wo sie aufgebrochen sind, um sich über den ganzen Kontinent zu verbreiten.
Seit mehr als vier Millionen Jahren bewohnen die Wellensittiche Australien, vor 50.000 Jahren kamen die menschlichen Ureinwohner dazu, vor gut 400 Jahren betraten die ersten Weißen den Kontinent. Deren Nachkommen ergründen die Umwelt mit Studien statt mit Mythen. Sie lassen Wellensittich-Probanden im Windkanal in Geschwindigkeiten zwischen 19 und 48 Stundenkilometern fliegen und zählen ihre Flügelschläge: 840 pro Minute, egal wie schnell die Vögel fliegen. Anders ist das bei der Atemfrequenz - die variiert und ist bei 35 Kilometern pro Stunde am niedrigsten.
Ob Mythologie oder experimentelle Forschung, ein Gefühl bleibt: Hochachtung vor den kleinen Vögeln! Vier Millionen Jahre zu überdauern, so wie Melopsittacus undulatus - das muss Homo sapiens erst einmal schaffen.