Kleine Sensation Weltweit einzigartig: Forschende entdecken bislang unbekannten Regenwurm in Bayern

Regenwurm
Der Bayern-Wurm ist eher unscheinbar: Er ist ausgewachsen wenige Zentimeter groß und blassrosa gefärbt
© Roswitha Walter, LfL
Regenwürmer braucht das Land – denn sie erhalten den Boden fruchtbar. Nun ist auf dem Acker eines Landwirts in Niederbayern ein ganz besonderer Wurm entdeckt worden, der weltweit einzigartig zu sein scheint. Die Forscher sind entzückt

Bayern hat einen eigenen Regenwurm: Wissenschaftler haben bei Rotthalmünster im niederbayerischen Landkreis Passau eine Art entdeckt, die bisher weltweit einzigartig ist und deshalb den Namen Helodrilus bavaricus bekam: der bayerische Regenwurm. Den Forschern sei mit dem Fund eine kleine Sensation geglückt, erläuterte die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).

Bayern-Wurm: Traum in Blassrosa 

Die LfL-Wissenschaftler forschen seit Jahrzehnten zu Regenwürmern als Nützlingen für die Landwirtschaft. In Feldversuchen und auf Boden-Dauerbeobachtungsflächen werden dabei Regenwürmer gezählt, gewogen und ihre Arten bestimmt.  Die Entdeckung einer neuen Art sei der Traum vieler Biologen, so die LfL. Der Bayern-Wurm ist den Angaben zufolge eher unscheinbar: Er ist ausgewachsen wenige Zentimeter groß und blassrosa gefärbt. 

Der Fund gelang auf dem Hof eines Landwirts, der seit fünf Jahren einen Acker mit Direktsaat bestellt, also ohne Bodenbearbeitung seit der vorangegangenen Ernte. Mit diesem bodenschonenden Bearbeitungsverfahren füttere und hege er Regenwürmer, erläuterte die LfL. 

Regenwurm-Paradies 

Der Landwirt nimmt an dem bundesweiten Final-Projekt zur Förderung von Insekten in Agrarlandschaften teil. Bei einer Untersuchung seines Ackers Ende April vergangenen Jahres stellte das LfL-Team unter Leitung der Biologin Roswitha Walter fest: Auf dem Feld leben "sehr viele" Regenwürmer. Mit etwa 600 Tieren pro Quadratmeter lag der Wert demnach um das Vierfache höher als der bayerische Durchschnitt für Äcker.  In Deutschland sind laut LfL rund 50 Regenwurmarten bekannt, in Rotthalmünster wurden acht Regenwurmarten identifiziert. Doch einige Tiere von dem niederbayerischen Feld waren dem Team unbekannt.

Viele Tiere und Pflanzen, die wir als selbstverständlich ansehen, kamen ursprünglich aus anderen Teilen der Welt. Denn nach der wissenschaftlichen Definition gilt jede Art, die nach der Entdeckung Amerikas ins Land gekommen ist, als fremd. Ein Beispiel dafür ist die Sonnenblume. Sie wurde erst Jahrzehnte nach 1492 von spanischen Seefahrern nach Europa gebracht und zählt somit zu den sogenannten Neobiota. Ohne fremde Arten wie die Sonnenblume würde nicht nur unsere Landschaft farbloser wirken, auch unser Speiseplan wäre ganz schön eingeschränkt. Kartoffeln, Tomaten und Mais – allesamt Neobiota – gehören heute zu den Grundnahrungsmitteln. Wie viele der fremden Arten schaden uns also wirklich? Dazu kann man die "Zehner-Regel" aus der Biologie heranziehen: Etwa zehn Prozent der eingeschleppten Arten vermehren sich in der neuen Umgebung, zehn Prozent davon etablieren sich auf Dauer, und nur zehn Prozent davon führen wirklich zu unerwünschten Auswirkungen. Es sind also nur 0,1 Prozent aller eingeschleppten Arten, die uns Probleme bereiten, also invasiv sind.

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Sie sind eine der größten Bedrohungen für die Natur, maßgeblich am Aussterben von über 60 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten beteiligt und führen jedes Jahr zu wirtschaftlichen Schäden von mehr als 423 Milliarden US-Dollar: Invasive, also fremde und schädliche Arten. Doch sind alle Neuankömmlinge zu verdammen? Keineswegs. Viele helfen uns und unserer Natur sogar

Ein Relikt der Eiszeit

Nach Hinzuziehen weiterer Regenwurm-Experten war klar, dass es sich um eine neue Art handelte. Die Experten klassifizierten den bislang unbekannten Regenwurm systematisch, beschrieben ihn im Fachjournal "Opuscula Zoologica" und verliehen ihm seinen Namen.

Dass die Art erst jetzt entdeckt wurde, liege vermutlich weder an ihrer wenig auffälligen Erscheinung noch an ihrer versteckten Lebensweise, erklärten die Forscher. Vielmehr werde angenommen, dass es sich um ein Eiszeitrelikt handelt, die Art also nur innerhalb eines kleineren eisfreien Areals in Südbayern überleben konnte. Nun soll geklärt werden, wie groß das Verbreitungsgebiet von Helodrilus bavaricus ist.

Die verborgene Welt im Boden

Regenwürmer ernähren sich von Ernteresten, Stroh, Gülle, Mist oder Mulch, mischen die Reste in den Boden ein und beschleunigen so den Abbau. Damit tragen sie zur Freisetzung von Nährstoffen bei. Ihre Gänge dienen der Bodendurchlüftung und begünstigen das Versickern von Wasser - das mindert die Erosion.