Kraftakt unter Wasser Was die Roboterforschung vom "Schweben" der Fische lernen kann

Ein Garibaldifisch stabilisiert seine Haltung mithilfe von Brustflossenbewegungen, während er im Wasser schwebt
Ein Garibaldifisch stabilisiert seine Haltung mithilfe von Brustflossenbewegungen, während er im Wasser schwebt
© Phil Zerofski / Scripps Institution of Oceanography
Fische scheinen völlig entspannt an einer Stelle zu verharren. Dabei ist das alles andere als ein Kinderspiel, wie Forscher jetzt entdeckt haben. Die Erkenntnisse könnten bei der Konstruktion von Unterwasserrobotern nützen

Kolibris können im Flug auf der Stelle verharren wie ein Hubschrauber – das kostet sie aber immens viel Energie. Bei Fischen wiederum wirkt es vollkommen mühelos, wenn sie im Wasser ruhig an einem Ort schweben.

Dieser Eindruck täuscht, wie ein Forschungsteam herausgefunden hat. Die kontinuierlichen, fein abgestuften Flossenbewegungen zur Aufrechterhaltung der Körperhaltung und Position während des Schwebens bedeuten demnach bei den meisten Fischarten einen erheblichen Energieaufwand. "Schweben ist ein bisschen so, als würde man versuchen, auf einem Fahrrad zu balancieren, das sich nicht bewegt", erklärte Studienleiterin Valentina Di Santo von der University of California San Diego in La Jolla. "Es ist eine energetisch kostspielige Aktivität, die die Fische aber trotzdem ausüben, weil sie sehr nützlich sein kann."

Der Anschein trügt

In einer bestimmten Position zu verharren, ist etwa beim Beutefang, bei der Erkundung des Lebensraums und bei der Paarung oft unerlässlich. Weil es so mühelos aussieht, wenn Fische an einer Stelle verharren, galt das Schweben bisher als energetisch günstig für Fische – zumindest für solche mit Schwimmblasen. Diese gasgefüllten Säcke sorgen für einen neutralen Auftrieb, bei dem die Fische weder sinken noch an die Oberfläche steigen.

Das Team um Di Santo untersuchte nun Körperhaltung, Flossenbewegung und Stoffwechselrate von Fischen 13 verschiedener Arten mit Schwimmblasen im Schwebezustand sowie beim Ruhen, wenn der Fisch sein Gewicht auf den Boden des Beckens stützt. Jeder Fisch wurde in ein Becken gesetzt und sein Sauerstoffverbrauch während des Schwebens und Ruhens aufgezeichnet.

Während die Fische schwebten, filmten die Forscher sie mit Hochgeschwindigkeitskameras, um ihre Flossenbewegungen zu erfassen. Für jeden Fisch wurde zudem der Abstand zwischen seinem Massenschwerpunkt, der durch die Gewichtsverteilung bestimmt wird, und seinem Auftriebszentrum, das mit der Form und Lage seiner Schwimmblase zusammenhängt, bestimmt.

"Was mir auffiel, war, wie hervorragend all diese Fische trotz der ihnen innewohnenden Instabilität eine stabile Haltung beibehalten", sagte Di Santo. Die Daten zeigten, dass die Stoffwechselraten der Tiere beim Schweben im Vergleich zum Ruhen fast doppelt so hoch waren.

Was die Effizienz beeinflusst

Beeinflusst wurde die Schwebeeffizienz unter anderem durch die Form des Fisches und die Position seiner Brustflossen: Fische, deren Brustflossen weiter hinten am Körper sitzen, verbrauchen beim Schweben weniger Energie. 

Die Forschenden vermuten eine bessere Hebelwirkung als Ursache. Kompakte Fische wie der Palembang-Kugelfisch (Dichotomyctere ocellatus) schwebten effizienter als lange, schlanke Arten wie der Tanganjika-Schneckenbarsch (Lamprologus ocellatus). Ein größerer Abstand zwischen Massenschwerpunkt und Auftriebszentrum sowie eine erhöhte Aktivität der Schwanzflosse waren mit höheren Energiekosten verbunden.

Evolutionärer Kompromiss – und ein Vorbild für Roboter?

Den Forschenden zufolge offenbaren die Ergebnisse einen evolutionären Kompromiss bei der Körperform der Fische: Erhöhte Manövrierfähigkeit gehe auf Kosten der Effizienz beim Schweben und umgekehrt. Und gerade in komplexen Lebensräumen wie Korallenriffen sei eine hohe Beweglichkeit wichtig.

Ein besseres Verständnis dafür, wie Fische aktiv ihre Position halten, könnte bei der Entwicklung von Unterwasserrobotern hilfreich sein, die ebenfalls stabil und gleichzeitig beweglich bleiben müssen, nimmt Di Santo an. Sie seien bisher mit eher kompakten Formen konstruiert, die sie stabil machen – wie bei Fischen seien Formen mit mehr eingebauter Stabilität aber weniger manövrierfähig. "Indem wir untersuchen, wie Fische dieses Gleichgewicht erreichen, können wir leistungsfähige Konstruktionsprinzipien für den Bau effizienter, reaktionsschneller Unterwassertechnologien gewinnen."

Andreas Hartl