Raffinierte Jäger Nutzen Buckelwale Werkzeuge?

Buckelwale treiben bei der Jagd Schwärme ihrer Beutetiere mit einem Blasenschleier aus Atemluft zusammen
Buckelwale treiben bei der Jagd Schwärme ihrer Beutetiere mit einem Blasenschleier aus Atemluft zusammen
© alimdi / imago images
Um ihre Beute zusammenzutreiben, legen Buckelwale Blasenschleier aus Atemluft um Schwärme von Fischen oder Krill – mit einer bislang nicht bekannten Präzision und Effizienz

Nur wenige Tiere benutzen Werkzeuge, um an Nahrung zu gelangen: Menschenaffen, Krähen und Kakadus. Doch der Club der schlauen Tiere könnte größer sein als bislang angenommen. Eine neue Studie rechnet nun auch Buckelwale dazu, die, unter einem Schwarm Beutefische schwimmend, mit einen Blasenschleier ihre Beute zusammentreiben.

Um die Tiere bei der Jagd besser beobachten zu können, statteten Andy Szabo von der Alaska Whale Foundation und sein Team fünf Buckelwale mit Kameras aus, die sie mit einem Saugnapf an den Tieren befestigten. Mit Drohnen konnten sie zudem 80 Jagden vor der Küste Südostalaskas aus der Luft dokumentieren. Dabei konzentrierten sie sich auf Tiere, die jeweils allein Krill jagten, um die Rolle der Kooperation bei den sehr sozialen und oft gemeinsam jagenden Tieren auszuschalten.

Mit aufgerissenem Maul stürzt sich dieser Finnwal auf einen Krillschwarm. Sein Kehlsack nimmt Wasser inklusive Beute auf, bis zu 70 Kubikmeter fließen in seinen Körper. Er schließt sein Maul und presst anschließend das Wasser durch die Barten wieder heraus. Diese Form des Jagens führt die bis zu 27 Meter langen Kolosse selbst in 200 Meter Tiefe. Während einer solchen Attacke müssen die Wale ihren Körper kräftig bewegen, um den Wasserwiderstand zu überwinden – und das wiederum zehrt an den Sauerstoffvorräten. Bereits nach sieben bis acht Happen sind die Tiere deshalb so erschöpft, dass sie zum Luftholen nach oben kommen müssen. Doch der Aufwand lohnt sich: Manche Finnwale verschlingen pro Tag mehr als zwei Tonnen der etwa daumenlangen Krebse, die mit ihnen eng verwandten Blauwale bringen es sogar auf vier Tonnen

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Ihre Vorfahren besaßen vermutlich ein Fell und lebten an Land. Auf dem Weg zurück ins Meer lernten die Wale, Salzwasser zu trinken, kilometertief zu tauchen und ohne einen Atemzug stundenlang unter Wasser zu bleiben. Die wohl größten Tiere aller Zeiten sind gleich in mehrfacher Hinsicht auch die beeindruckendsten

Erstmals konnten die Forschenden nun die genaue Struktur der Blasennetze analysieren, von der Größe der einzelnen Blasen, ihrem Abstand voneinander bis hin zum Durchmesser der spiralförmigen Ringe, die in ihrer Gesamtheit eine Art Trichter bilden.

Buckelwale steuern bewusst die Form und den Abstand der Blasen in ihren "Netzen"

Das Ergebnis der Studie, die im Fachblatt "Royal Society Open Science" veröffentlicht wurde: Im Schnitt formten die Wale ihr Netz zuerst in 22,40 Meter Tiefe, um es zur Oberfläche hin engmaschiger und schmaler zu "weben". Dabei steuern sie den Forschenden zufolge alle Parameter – von der Größe der Blasen bis zum Abstand der Spiralen – ganz bewusst, um die Ausbeute zu erhöhen. Und ohne dabei ihren Energieverbrauch zu erhöhen. Im Schnitt konnten die Tiere so die Masse ihrer Beute pro "Fischzug" um das Siebenfache steigern.

Nach Ansicht des Forschungsteams gehören Buckelwale damit zur Elite der werkzeugbenutzenden Tiere. Denn "Blasennetze erfüllen die allgemeinen Kriterien für die Herstellung und Verwendung von Werkzeugen", wie es in der Studie heißt. "Ich finde es aufregend, dass Buckelwale komplexe Werkzeuge entwickelt haben, die es ihnen ermöglichen, Beuteansammlungen zu nutzen, die ihnen sonst nicht zur Verfügung stehen würden", kommentiert Szabo in einer Pressemitteilung der Alaska Whale Foundation.

Für die Wale ist es allerdings nicht einfach nur bequemer, ihre Beute mithilfe von Blasenschleiern "einzusammeln". Die Tiere sind darauf angewiesen, sich vom Sommer bis zum Herbst in den fischreichen nördlichen Gewässern satt zu fressen. Denn die übrige Zeit des Jahres verbringen sie in den Tropen – und fasten.