Die Große Blaue Holzbiene schimmert nicht nur in augenfälligem Schwarzblau, sie ist auch ein verdammt dicker Brummer. Ein Exemplar, das Carlos Herrera und seinen Kolleg*innen ins Netz ging, wog 750 Milligramm – etwa so viel wie acht Honigbienen zusammen. Das Weibchen ist die schwerste von 1704 Wildbienen, die das spanische Team in den letzten drei Dekaden fingen und vermaßen. Doch solche kapitalen Exemplare werden immer seltener.
Carlos Herrera arbeitet als Evolutionsökologe für den Consejo Superior de Investigaciones Científicas, eine öffentliche Forschungseinrichtung. Im größten Naturpark Andalusiens fingen er und seine Kolleg*innen für verschiedene Forschungsprojekte Wildbienen: 473 Exemplare in der Zeitspanne von 1990 bis 1997, 1231 zwischen 2022 und 2023. Sie alle wurden in künstliche Kältestarre versetzt und im Labor auf ein Zehntel Milligramm genau gewogen, bevor sie wieder abschwirren durften. Insgesamt 137 Arten spürte das Team in der unberührten Natur der Bergregion auf.
Auch in anderen Ländern werden die Bienen kleiner
Dabei zeichnete sich ein Trend ab: Die Bienen wurden leichter, im Schnitt um 0,7 Prozent pro Jahr. Über den Studienzeitraum von 33 Jahren hinweg verloren Individuen aller Arten rein rechnerisch 20 Milligramm an Gewicht. Große Spezies wie die Blaue Holzbiene schrumpften stärker als kleine. Diese Entwicklung hat Konsequenzen: Je schmächtiger die Bienen einer Art werden, desto weniger Pollen können sie sammeln, und desto kleiner wird ihr Flugradius. Darunter leiden sowohl die Bestäubung der Futterpflanzen als auch die Fitness der Population.
Herreras Team veröffentlichte seine Ergebnisse im Fachblatt "Ecology". Die Spanier sind nicht die ersten, die zeigen, dass Bestäuber an Gewicht verlieren. US-Wissenschaftlerinnen das Phänomen dokumentierten das Phänomen über fünf Jahrzehnte hinweg bei den Männchen der amerikanischen Wüstenbiene Centris pallida.
In den Niederlanden verfolgten Forschende die Entwicklung der Körpergröße von Bienen sogar über 147 Jahre hinweg, indem sie Exemplare aus naturwissenschaftlichen Sammlungen vermaßen. Insbesondere die Weibchen großer Arten wurden im Laufe der Jahrzehnte immer kleiner. "Von allen Bienen haben sie den größten Bedarf an Nektar und Pollen, da sie nicht nur ihre eigenen großen Körper unterhalten müssen, sondern auch Vorräte für die Brutkammern ihres großen Nachwuchses bereitstellen", schreiben die Autor*innen. Vielleicht sei es für Bienen in Zeiten schwindender Lebensräume und schwindender Nahrungsressourcen von Vorteil, klein zu sein.
Monokulturen, Pestizide, Luftverschmutzung und mehr: Vielerorts setzen menschliche Aktivitäten den Bestäubern direkt zu. In Carlos Herreras Forschungsgebiet jedoch lassen sich solche unmittelbaren Einflüsse als Ursache des Bienenschrumpfens ausschließen. Das macht die Studie so besonders. Die Sierras de Cazorla, Segura y Las Villas liegen inmitten unberührter Natur. Keine Landwirtschaft, keine Besiedlung und keine invasiven Arten beeinträchtigen den Lebensraum der Bienen. Doch der globalen Erwärmung entkommt auch diese Region nicht. Herreras Team wertete die Daten nahegelegener Wetterstationen aus: Zwischen 2000 und 2023 stieg das Jahresmittel der Tageshöchsttemperaturen um nahezu anderthalb Grad.
Zusammenhänge zwischen der Temperatur und der Körpergröße von Tieren sind seit Jahrzehnten bekannt. Viele Spezies sind beispielsweise in wärmeren Bereichen ihres Verbreitungsgebietes schmächtiger als in kälteren Gefilden – ein evolutionärer Effekt. Rotfüchse sind ein gutes Beispiel: Unterarten aus dem hohen Norden sind größer und schwerer als Unterarten, die in warmen Wüstenregionen leben.
Für viele wechselwarme Tiere gilt: Je heißer, desto kleiner
Bei der Mehrheit wechselwarmer Spezies, zu denen auch Insekten zählen, greift außerdem die "Temperature Size Rule". Je wärmer die Umgebung, in der sich Individuen entwickeln, desto kleiner sind sie als ausgewachsene Tiere, und zwar unabhängig von ihren Erbanlagen. Das Muster sei "umfassend dokumentiert und kaum verstanden", bilanzieren zwei US-Forscher in einer Studie zum Thema. Es betrifft Arten auf der ganzen Welt, an Land wie im Wasser.
In der Ökologie betrachtet man diese Auswirkung der Klimakrise mit Sorge. Steigende Temperaturen führen bereits dazu, dass sich Verbreitungsgebiete und Lebensrhythmen von Arten verschieben. Eine umfassende Schrumpfkur wäre ein weiterer Stressfaktor für betroffene Spezies und Ökosysteme.