Als Kind erlebte Thomas Tittizer, Zoologe und Lehrbeauftragter der Universität Bonn, die sogenannte Theiß-Blüte: Jedes Jahr im Juni bevölkerten libellengroße Insekten den Fluss in gigantischen Schwärmen, dicht wie die Flocken eines Schneesturms, sodass sie einem Sicht und Luft raubten.
Tittizer konnte viele deutsche und ungarische Studenten für seinen Plan begeistern, die Insekten auch an der deutschen Lippe wieder heimisch werden zu lassen. Literaturstudien belegen, dass die "Blüte" der Eintagsfliegen noch vor 100 Jahren auch dort beschrieben worden ist - bis Wasserverschmutzung, Gewässerausbau und -erwärmung dem letzten Exemplar von Paligenia longicauda den Garaus machten. Hat die "Riesenfliege" in Nordrhein- Westfalen wieder eine Chance? Die Voraussetzungen schienen dem Zoologen günstig zu sein: Die Lippe fließt mancherorts wie die Theiß über einen tonigschluffigen Untergrund, der nötig ist, damit die Larven ihre Wohnröhren graben können. Wasserbeschaffenheit und Lebensgemeinschaften ähneln sich an beiden Flüssen.
Und so fingen Tittizer und seine Helfer in den Jahren von 2006 bis 2009 befruchtete Weibchen, "ernteten" deren Eier, schafften diese gekühlt und unter Sauerstoffzufuhr ins Bonner Labor und "erbrüteten" sie wochenlang in speziellen Gläsern, bis die Entwicklung vom Ei zur Junglarve abgeschlossen war. Nun galt es, die Winzlinge - insgesamt an die 120 Millionen - unversehrt an die Lippe zu bringen, sie geschützt im Innern von in den Schlick gerammten, langen Kunststoffrohren auf den Boden herabsinken und sie in die oberen Schichten eingraben zu lassen.
Jetzt, im Juni 2009, wird sich entscheiden, ob das sensible Insekt im deutschen Flussschlamm überleben kann. Dann, so hofft der Professor, wird er einen Kleinbus mieten, Kinder, Enkel, Kollegen und seine 94-jährige Mutter einladen - und mit ihnen zusammen seinen Traum in Erfüllung gehen sehen.