Die Meeresbiologie steht vor einem grundlegenden Problem. Bezogen auf das Gesamtgewicht aller Fische schwimmt ein Großteil in Meeresschichten, die für Forscherinnen und Forscher nur schwer erreichbar sind: im Mesopelagial, 200 bis 1000 Meter unter der Meeresoberfläche. So zumindest schätzen es zahlreiche Studien. Wissen können die Forschenden es kaum, können doch Schiffe und Bojen die dortigen Bestände nur punktuell überwachen. Satelliten blicken nicht tief genug, stockdunkel ist es auch noch: Gerade einmal ein Prozent des Sonnenlichts dringt tiefer als 200 Meter unter die Meeresoberfläche.
Ein Forschungsteam der University of California in Santa Cruz nimmt deshalb einen kreativen Umweg. Seit mittlerweile 60 Jahren beobachten die Forschenden Zehntausende See-Elefanten des nahe gelegenen Naturreservats Año Nuevo. Sie befestigten Peilsender an den wuchtigen Tieren, wogen, vermaßen und beobachteten sie, dokumentierten ihr Paarungsverhalten und den Nachwuchs, vor allem aber ihre Jagd.
Im Schnitt unternehme eine See-Elefantenkuh, so schätzen es die Forschenden, auf seiner siebenmonatigen Reise durch den Pazifik etwa 75.000 Versuche, einen Fisch zu fangen. Jeder Versuch bedeutet dabei einen wertvollen Datenpunkt. Mit nur 14 engmaschig überwachten See-Elefantenkühen, so die Kalkulation der Forschenden, ließen sich die Fischvorkommen in rund 4,4 Kubikkilometer Ozeanvolumen bestimmen. Die Robbenart – ihren Namen verdankt sie der rüsselartigen Nase der massigen Männchen – dient der Forschung als "smarter Sensor": Allein durch ihre Migrationsrouten liefern die Tiere wertvolle Daten über die dortigen Fischbestände.
Ein anderer wichtiger Indikator ist das Gewicht der Tiere. Mehr als 50.000 unterschiedliche Tiere wurden in den vergangenen sechs Jahrzehnten von Forschungsgenerationen in Santa Cruz beobachtet oder vermessen. Aus dem Zustand der Tiere lassen sich Rückschlüsse auf die Populationsgrößen ihrer Beutetiere ziehen. "Angesichts der Bedeutung des Ozeans für die Kohlenstoffbindung, die Klimaregulierung, die Sauerstoffproduktion und die Ernährung von Milliarden von Menschen besteht ein dringender Bedarf, Veränderungen in den marinen Ökosystemen zu messen", wird Forschungsgruppenleiterin Roxanne Beltran in einer Pressemitteilung der Universität zitiert. Dafür seien See-Elefanten ein guter Ansatzpunkt. So zeigte ihre jüngst im Fachmagazin "Science" erschienene Studie, dass Schwankungen im Jagdverhalten der See-Elefanten sich in den Daten eines breit angelegten, mit Satellitendaten gespeisten ozeanografischen Index widerspiegeln. Ziel der Forschung sei es nicht nur, Erkenntnisse über die Fischbestände im Pazifik zu gewinnen, sagte Beltran. Sie sollen auch die Grundlage bilden für eine nachhaltigere Fischerei.