Studie Ameisen erinnern sich an ihre Feinde – und sind nachtragend

Die Schwarze Wegameise ist durchaus angriffslustig gegenüber ihren Artgenossinnen aus anderen Völkern. Insbesondere dann, wenn sie mit ihnen schon einmal eine schlechte Erfahrung gemacht hat
Die Schwarze Wegameise ist durchaus angriffslustig gegenüber ihren Artgenossinnen aus anderen Völkern. Insbesondere dann, wenn sie mit ihnen schon einmal eine schlechte Erfahrung gemacht hat
© Matt Cole / imageBROKER / mauritius images
Gegenüber Artgenossen anderer Völker sind Ameisen oft aggressiv. Mit wem sie dabei aneinandergeraten, merken sie sich genau – und greifen bei der nächsten Begegnung umso heftiger an

Sie ist nur drei bis fünf Millimeter groß, doch wenn sie auf eine Feindin trifft, kennt die Schwarze Wegameise (Lasius niger) keine Gnade. Dann greift sie ihre Kontrahentin an, verspritzt Säure, beißt mit ihrer kräftigen Beißzange, den sogenannten Mandibeln, zu – und tötet ihre Rivalin mitunter sogar, wenn sich die Gelegenheit bietet. Die Feindschaft richtet sich dabei gegen Artgenossinnen anderer Völker. Begegnen sich zwei Ameisen, entscheidet der Geruch, wer Freund und wer Feind ist: Weil jedes Nest einen eigenen, besonderen Geruch verströmt, erkennen die Ameisen daran, ob sie aus demselben oder aus verschiedenen Nestern stammen. 

Besonders feindlich reagiert die Schwarze Wegameise auf Mitglieder jener Völker, die in direkter Nachbarschaft zum eigenen Nest leben – deutlich aggressiver als auf Mitglieder weiter entfernt lebender Völker. Warum das so ist, haben Evolutionsbiologinnen der Universität Freiburg nun herausgefunden: Offenbar merken sich Ameisen den Geruch von Kontrahentinnen, mit denen sie bereits aneinandergeraten sind, und reagieren beim nächsten Aufeinandertreffen mit einer Ameise aus diesem Nest umso aggressiver. Kurz: Die Ameisen erinnern sich an frühere Kämpfe – und sind nachtragend.

In ihrer im Fachmagazin "Current Biology" veröffentlichten Studie zeigen die Forschenden, dass die Ameisen deutlich heftiger reagierten, wenn sie auf Ameisen aus einem Nest trafen, das sie bereits als feindselig erlebt hatten, als beim Aufeinandertreffen mit Ameisen aus ihnen unbekannten Nestern. Die Forschenden schließen daraus: Ameisen lernen aus Erfahrung.

"Wir haben häufig die Vorstellung, dass Insekten wie vorprogrammierte Maschinen funktionieren", sagt der Hauptautor und Evolutionsbiologe Volker Nehring in einer Mitteilung der Universität. "Unsere Studie liefert einen neuen Hinweis darauf, dass im Gegenteil auch Ameisen aus ihren Erfahrungen lernen und nachtragend sein können."

Negative Erfahrungen lösen Aggressionen aus

In ihrem Experiment ließen die Freiburger Forschenden Ameisen aus verschiedenen Kolonien von Lasius niger, der in Mitteleuropa am weitesten verbreiteten Ameisenart, an fünf aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils eine Minute aufeinandertreffen. Dabei begegnete eine Gruppe Artgenossen aus dem eigenen Nest, eine zweite Gruppe traf auf aggressive Artgenossen aus einem zweiten, konkurrierenden Nest A und eine dritte Gruppe auf aggressive Ameisen aus einem dritten, konkurrierenden Nest B. 

Anschließend beobachteten die Forschenden, wie sich die einzelnen Ameisen verhielten, wenn sie auf eine Konkurrentin aus Nest A trafen. Tatsächlich reagierten jene Ameisen, die zuvor schon auf eine Artgenossin aus Nest A getroffen waren, signifikant aggressiver, bissen heftiger zu und besprühten ihr Gegenüber mit Säure – allerdings nur, wenn es bei der vorherigen Begegnung zu Aggression und Kampf gekommen war. 

Waren die Ameisen davor hingegen einer passiven und friedfertigen Ameise aus Nest A begegnet – die Forschenden sorgten für Passivität, indem sie die Antennen der Ameisen kappten – so verhielten sich die Ameisen beim erneuten Aufeinandertreffen deutlich gelassener. Von der Begegnung mit einer einzelnen Ameise schlossen sie also offenbar auf die Friedfertigkeit ihres ganzen Volkes. Und sahen ohne negative Vorerfahrung weniger Grund zum Angriff.

ftk