Natur- gegen Tierschutz Australien lässt Tausende Pferde zusammenschießen. Das ist grausam und unzeitgemäß

Brumbies in Australien
Brumbies – hier im Kosciuszko-Nationalpark, New South Wales – sind Nachfahren domestizierter Pferde europäischer Siedler
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Weil sie empfindliche Vegetation zertrampeln und abfressen, sollen in einem Nationalpark im Südosten Australiens Tausende verwilderte Pferde getötet werden. Eine Klage von Tierschützern wurde vor Kurzem abgewiesen

Im Jahr 2000 ging ein Aufschrei durch die australische Presse: Im Guy-Fawkes-Nationalpark im Bundesstaat New South Wales hatten Trockenheit und Waldbrände das Land verwüstet, 700 überlebende, hungrige Pferde fraßen, was sie bekommen konnten. Um die Pflanzenwelt zu retten, entschied die Nationalparkverwaltung, 600 von ihnen zu töten zu lassen.

Womit sie nicht gerechnet hatte: Die Massentötung sorgte für Morddrohungen gegen die Verantwortlichen, Politiker sprachen von einem der "schlimmsten Akte der Tierquälerei in Australien". Es war nicht der erste – und wohl bei Weitem nicht der schlimmste – Vorfall dieser Art. Seit die ersten weißen Siedler mit Rindern und Pferden den Kontinent eroberten, streifen sogenannte Brumbies, Nachfahren domestizierter Pferde aus Europa, über den Kontinent. Unter anderem, weil sie Rinderzüchtern ein Dorn im Auge waren, begann man schon im 19. Jahrhundert, sie zu Tausenden abzuschlachten. Ohne dauernden Erfolg.

Jetzt droht die nächste Eskalationsstufe in dem grausamen Konflikt. Diesmal stehen sich Vertreter und Vertreterinnen von Naturschutz und Tierschutz unversöhnlich gegenüber.

Weil die Tiere die Grasnarbe zertrampeln, seltene Pflanzen abfressen, Krankheiten übertragen können und den Straßenverkehr gefährden, sollen sie aus den sensiblen Ökosystemen des Kosciuszko-Nationalparks, 350 Kilometer südwestlich von Sydney, verschwinden. Von heute 17.000 Tieren sollen im Jahr 2027 nur 3000 übrig bleiben. Etwa 9000 Tiere wurden schon getötet, etwa zwei Drittel von ihnen durch Schützen an Bord von Helikoptern.

Gemetzel aus der Luft

Dabei ist völlig klar, dass der Abschuss aus einem Hubschrauber nichts anderes ist als ein Gemetzel. Die panisch flüchtenden Tiere werden aus einem schwankenden Helikopter kaum sofort tödlich getroffen werden. Stattdessen werden viele, vielleicht die meisten von ihnen, einen langsamen, qualvollen Tod erleiden. Noch nicht entwöhnte Fohlen werden neben ihren sterbenden oder toten Müttern verhungern.

Australische Tierschützende fordern schon seit Langem einen respektvollen und ethisch vertretbaren Umgang mit den Tieren, die sich ihren Lebensraum nicht ausgesucht haben. Sie fordern, die Möglichkeiten der Geburtenkontrolle zu erforschen und zu erproben (in den USA wird das schon gemacht). Tiere, wo erforderlich, umzusiedeln. Und den privaten Auffangstationen und Reservaten staatliche Mittel für Zäune, Instandhaltung, Verpflegung und tierärztliche Versorgung zur Verfügung zu stellen.

Offenbar stoßen sie damit bei Regierung und Justiz auf taube Ohren. Ein Gericht entschied diese Woche, die beabsichtigten massenhaften Tötungen seien rechtens. Moralisch gerechtfertigt sind sie damit nicht.

Angesichts immer krasserer Interessenkonflikte zwischen Natur- und Tierschutz (auch hierzulande werden "invasive" Tierarten bekämpft, also getötet) ist es an der Zeit, unsere Rolle in unserer belebten Um- und Mitwelt zu überdenken. Menschen haben meist, aber nicht immer, unbeabsichtigt Tiere und Pflanzen aus ihren natürlichen Verbreitungsgebieten über den ganzen Globus verteilt. Und damit über Jahrtausende austarierte Ökosysteme ins Wanken gebracht. Doch das massenhafte Töten von Lebewesen, denen zukünftig vielleicht sogar Persönlichkeitsrechte zuerkannt werden, ist keine Lösung. Es ist Ausdruck eines Natur- und Selbstverständnisses, das auf Gewalt, Beherrschung und Kontrolle ausgeht. Und damit Teil des Problems.