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Wasserkraft Niedriges Gefälle, hohes Potenzial

Kostengünstig, klein und diskret: Neuartige Wasserkraftwerke könnten bald ungenutzte Energie in grünen Strom verwandeln

Wasserkraft gilt als die älteste und sauberste Form der erneuerbaren Energie. Ihr Potenzial schien in Deutschland allerdings weitgehend ausgeschöpft, die geeigneten Standorte besetzt. Und doch schlummert noch viel ungenutzes Energie-Potenzial in bundesdeutschen Fließgewässern.

Diesen Schatz wollen nun Ingenieure von der Technischen Universität München heben - mit kostengünstigen Kleinkraftwerken. Das Team um Peter Rutschmann und Albert Sepp entwickelte an der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft eine Anlage, deren Konzept nicht nur Fans der dezentralen Energieversorgung überzeugen könnte, sondern auch Landschaftsästheten.

Wasserkraft: Peter Rutschmann (l.) und Albert Sepp am Modell des Kraftwerks. Eine Klappe im Wehr lässt Wasser - und damit auch Fische - passieren. Das Kraftwerk befindet sich in einer Kiste vor dem Wehr
Peter Rutschmann (l.) und Albert Sepp am Modell des Kraftwerks. Eine Klappe im Wehr lässt Wasser - und damit auch Fische - passieren. Das Kraftwerk befindet sich in einer Kiste vor dem Wehr
© Andreas Heddergott/TU München
Wasserkraft: Längsschnitt durch das an der TU München entwickelte Schachtkraftwerk
Längsschnitt durch das an der TU München entwickelte Schachtkraftwerk
© Albert Sepp/TU München

Herzstück des Kraftwerks ist eine neuartige und wartungsarme Turbine, die unter Wasser betrieben werden kann. Sie ist eingebaut in einen senkrechten Schacht vor dem Wehr. Der Wasserauslass befindet sich am Ende eines waagerechten Rohrs, das in Fließrichtung unter dem Wehr durchgegraben wird. So verschwindet die komplette Anlage unter der Wasseroberfläche. Oberirdisch zu sehen ist lediglich ein kleines Trafohäuschen.

"Wir gehen davon aus, dass die Kosten gegenüber einem herkömmlichen Buchtenkraftwerk um bis zu 50 Prozent niedriger ausfallen werden", sagt Rutschmann. Zudem kann das Kraftwerk auch schon bei vergleichsweise geringer Fallhöhe, ab etwa eineinhalb Metern, rentabel arbeiten. So werden etwa auch Standorte im norddeutschen Flachland interessant.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Besondere Attraktivität erhält das Konzept durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie. Die sieht vor, dass alle Fließgewässer für Fische in beide Richtungen passierbar sein und deshalb bestehende Wehre von mehr als 30 Zentimeter Höhe angepasst werden müssen. Seitlich angebrachte Fischtreppen oder ähnliche "Steighilfen" ermöglichen den Tieren die Wanderung flussaufwärts. Schwieriger ist der Fischabstieg an Wasserkraftwerken, wo dem Fisch oft nur der Weg durch die Turbine offen ist. Rutschmann und seine Kollegen lösten das Problem so: Im Wehr über dem Turbinenschacht befindet sich eine Klappe, die einen kleinen Teil des aufgestauten Wassers abfließen lässt - und damit auch flussabwärts wandernde Fische und Kleintiere.

Um die Richtlinie umzusetzen, müssten allein in Bayern Tausende Wehre umgerüstet werden. Mit den neuen Kraftwerken ließen sich bei vielen von ihnen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Statt der klammen Kommunen könnten Investoren für die Kosten aufkommen, die sich für den Bau eines Kraftwerks entscheiden - und die Durchlässigkeit für Fische gleich mitberücksichtigen.

Geeignet wäre die Technik auch für Staaten, die bisher wegen fehlender Mittel Wasserkraft nicht nutzen, meint Rutschmann. Wenn das Geld für die Turbine nicht reicht, könne eine billige Tauchpumpe als Stromerzeuger dienen - verkehrtherum betrieben.

Zurzeit bauen Rutschmann und seine Kollegen einen Prototyp mit rund 50 Kilowatt Leistung; das erste Kraftwerk könnte in etwa zwei Jahren den regulären Dienst aufnehmen.

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