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Meinung Warum wir den Walfang wieder erlauben sollten

Mit handelbaren Walfang-Quoten lässt sich der Schutz der Meeressäuger effektiver erreichen als durch Moratorien - glaubt der Ökonom Christopher Costello. Walschutz-Organisationen winken entnervt ab. Dieser Essay entstand in Zusammenarbeit mit Costellos Kollegen Steven Gaines (ebenfalls Bren School) sowie Leah R. Gerber von der Arizona State University.

Inhaltsverzeichnis

Ein neuer Markt für Wale

Seit 1986 gilt ein Moratorium, das die Internationale Walfangkommission (IWC) für kommerziellen Walfang verhängt hat. Trotzdem hat sich die Zahl der getöteten Wale in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Zurzeit werden pro Jahr fast 2000 Wale gejagt - etwa 1000 von japanischen Schiffen für "wissenschaftliche Zwecke", 600 von Fischern aus Norwegen und Island, die den Walfangstopp ablehnen, und 350 zur Selbstversorgung (etwa von Ureinwohnern in Russland und den USA).

Meinung: Christopher Costello ist Professor für Umwelt- und Ressourcen-Ökonomie an der Bren School für Umweltwissenschaft und Management in Kalifornien
Christopher Costello ist Professor für Umwelt- und Ressourcen-Ökonomie an der Bren School für Umweltwissenschaft und Management in Kalifornien
© Matt Kotchen

Diese kaum regulierte Jagd hat eine hitzige Debatte darüber ausgelöst, ob die IWC den Walfang wieder erlauben sollte. Im Jahr 2010 haben einige Anti-Walfang-Länder einen Kompromiss vorgeschlagen: Sie regten an, legale Fangquoten einzuführen, die unterhalb der Zahl der momentan tatsächlich getöteten Wale liegen. Nach langem Hin und Her scheiterten die Verhandlungen - vor allem, weil Walschutzgruppen ein Problem darin sahen, überhaupt Quoten einzuführen und das Töten von Walen somit zu legitimieren.

Handelbare Quoten für alle

Meine Kollegen Leah R. Gerber, Steven Gaines und ich möchten eine Alternative vorschlagen, um die Blockade aufzubrechen. Wir plädieren dafür, Walfangquoten einzuführen, die gekauft und verkauft werden können, und so einen Markt zu schaffen, der ökonomisch, ökologisch und sozial verträglich ist - für Wale wie Walfänger. Da auch Tierschützer die Quoten kaufen könnten, profitierten Walfänger von diesem System sogar, ohne ein einziges Tier zu töten. Ein solcher Markt kann das Walsterben reduzieren, ohne dass die Beteiligten streiten müssten, ob Walfang grundsätzlich ehrbar oder schändlich ist.

Umweltschutz mit Marktwirtschaft - es gab schon viele Versuche, diese beiden Sphären miteinander zu verknüpfen. Bei sorgfältiger Herangehensweise kann ihre Verbindung bemerkenswerte Erfolge erzielen. Emissionshandelsmärkte für Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid haben zumindest in den USA geholfen, Abgase effektiver und günstiger zu reduzieren, als eine gesetzliche Regulierung dies gekonnt hätte. Programme, bei denen Naturgebiete als Ausgleichszone für anderswo verlorene Flächen geschützt werden, haben den Schutz von mehr als 81 000 Hektar Wildlebensraum ermöglicht und dienten als Katalysator für private Investitionen im Umweltschutz. In Neuseeland und Kanada hat ein Markt für Fangquoten Fischern ein Auskommen ermöglicht und trotzdem die Bestände erhalten.

Meinung: Blutiges Geschäft: Japanische Walfänger machen unter dem Deckmantel der Wissenschaft Jagd auf große Meeressäuger
Blutiges Geschäft: Japanische Walfänger machen unter dem Deckmantel der Wissenschaft Jagd auf große Meeressäuger
© picture-alliance/dpa/dpaweb

Die Idee ist nicht neu

Auch die Idee, Walfangquoten durch eine "Weltwalbehörde" zu versteigern, ist nicht neu. Sie stammt aus dem Jahr 1982, wurde aber nie umgesetzt - vielleicht weil das Konzept damals seiner Zeit voraus war (die ersten handelbaren Quoten für Fischfang oder Luftverschmutzung wurden in den 1990er Jahren eingeführt). Vielleicht auch, weil dieses System die Walfänger gezwungen hätte, für ein Privileg zu bezahlen, das sie bis dato kostenlos in Anspruch genommen hatten.

Das von uns vorgeschlagene Marktsystem würde in etwa so funktionieren: Eine nachhaltige Zahl von "Wal-Aktien" wird an alle Mitglieder des IWC ausgegeben. Die Mitgliedsländer können dann einzeln entscheiden, ob sie diese Aktien nutzen, ruhen lassen oder für immer aus dem Verkehr ziehen wollen. Sie dürfen die Aktien auch auf einem kontrollierten Markt handeln. Wie viele Wale tatsächlich gejagt werden, hängt in diesem Szenario dann davon ab, wer die Aktien am Ende besitzt. Wenn etwa die Walfänger alle Aktien aufkaufen, dann werden die Tiere in jenem nachhaltigen Rahmen gejagt, auf den sich vorher alle geeinigt hatten. Wenn aber Umweltschützer alle Aktien kaufen, sind sämtliche Wale geschützt.

Es gilt noch, Hürden zu nehmen

Es gibt sicher viele Hürden beim Versuch, ein solches System zu etablieren, etwa die Fragen, welche Quote "nachhaltig" wäre und wer wie viele Aktien erhielte. Wir glauben aber, dass die IWC diese Probleme in den Griff bekäme. Der Grund für das Scheitern von Quoten-Verhandlungen war bislang nie die Frage nach der korrekten Begrenzung, sondern die eher philosophische Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer legalen Fangquote. Wären die Jagdrechte auf einem Markt handelbar, würde ihre Ausgabe aber weder automatisch zur Tötung von Walen führen (Umweltschützer könnten das mit Geld verhindern) noch zu einer national begrenzten Fangquote (ein Land kann ja einem anderen Rechte abkaufen). Das könnte beide Seiten im Disput besänftigen.

Nicht einfach wäre die anfängliche internationale Zuteilung der Wal-Aktien. In der Frage des Klimawandels hat sich gezeigt, wie schwierig es ist, globale Ziele in nationale Verantwortlichkeiten aufzuteilen: Entwicklungsländer klagen, strenge Ziele gefährdeten ihr Wachstum, während andere Länder auf kalte Winter oder große Wälder verweisen, um mehr Emissionsrechte zu fordern. Auch die Verteilung von Fischereirechten war stets umstritten. Meist orientierten sich solche Vergaben am Gewohnheitsrecht. So könnte auch ein Teil der Fangquote für Wale nach dem Muster des historisch betriebenen Walfangs verteilt und ein Rest versteigert werden. Der Erlös käme dem Walschutz zugute.

Wie die Aktien verteilt werden könnten

Die Verteilung von Quoten innerhalb eines Landes wäre wohl weniger umstritten. Die Erstausgabe der Aktien dürfte in Staaten, die keinen Walfang betreiben, wohl Umweltstiftungen zugute kommen. Die Geltungsdauer der Rechte könnte auch begrenzt werden. Nur jene Ureinwohner, die für den Eigenbedarf jagen, bekämen unbegrenzt gültige Rechte. Einen solchen Markt zu überwachen, wäre schwierig. Aber ein globales Register aller Fangschiffe könnte die Integrität des Systems sicherstellen. Und die Pflicht, den Handel öffentlich zu betreiben, würde Transparenz in eine Branche bringen, die seit Langem verdächtigt wird, Hinterzimmergeschäfte zu tätigen und Stimmen im IWC zu kaufen.

Die Wal-Aktie hätte gute Chancen, von allen Seiten akzeptiert zu werden. Mit diesem System würde die Zahl der getöteten Wale reduziert, vielleicht gar auf null. Ganz im Gegensatz zur gegenwärtigen Verbotspraxis, die nur zu einer Zunahme des Walfangs zu führen scheint. Von einem Rechtehandel können dagegen alle Beteiligten profitieren, während zugleich der Walschutz verbessert wird.

Glühende Tierschutzfreunde werden einwenden, dass es unmoralisch sei, das Leben eines Wals mit einem Preisschild zu versehen; und dass jede Art es verdiene, unabhängig vom ökonomischen Wert geschützt zu werden. Aber solange es nicht gelingt, alle Länder von diesem Standpunkt zu überzeugen (oder sie zu zwingen, ihn einzunehmen), wird dem Walfang kein Einhalt geboten. Gerade weil ein "Preisschild" fehlt, hatten alle Bemühungen bislang so wenig Erfolg.

Quoten sind günstiger als klassischer Walschutz

Der Profit allen kommerziellen Walfangs wird auf 31 Millionen US-Dollar pro Jahr geschätzt. Die Walfänger geben Millionen aus, um diese Wale zu fangen. Eine Überschlagsrechnung von Marktpreisen, Walgrößen und Kosten für Fangschiffe ergibt, dass Walfänger bei Minkwalen einen Profit von 13 000 US-Dollar pro Tier erzielen; bei Finnwalen 85 000 US-Dollar. Der Preis für einen Wal wäre damit für viele Umweltschutzorganisationen (und sogar für manche Einzelpersonen) durchaus bezahlbar.

Und wie viel geben Umweltorganisationen jedes Jahr für die Lobbyarbeit gegen den Walfang aus? Eine vorsichtige Schätzung kommt auf die Summe von 25 Millionen US-Dollar. Anstatt dieses Geld in Anti-Walfang- Kampagnen zu investieren, wäre es doch effektiver, davon Wale zu "kaufen". Die Organisation "Sea Shepherd" schätzt, dass ihre viele Millionen teure Kampagne aus dem Jahr 2008 das Leben von etwa 350 Minkwalen gerettet hat. Nach unseren Berechnungen hätte deren Weiterleben für rund vier Millionen US-Dollar schlicht erworben werden können. Werden Wale erst einmal mit einem Preisschild versehen, gibt es einen handfesten materiellen Anreiz, sie zu schützen.

GEO Nr. 04/12 - Wie gefährlich ist Religion?

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