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Fleischkonsum und Klima "Wir müssen weg von der Tierhaltung"

Eine Studie der Universität Wien zeigt, dass die Klimabilanz von Fleisch wesentlich schlechter ist als bislang angenommen. Demnach verursacht ein Kilogramm brasilianisches Rindfleisch dieselben Treibhausgas-Emissionen wie eine Autofahrt von 1600 Kilometern in einem Mittelklassewagen. Schuld ist der hohe Flächenverbrauch der Nutztierhaltung. Wir sprachen mit einem der beiden Autoren der Studie, dem Geophysiker und Lebensmittelwissenschaftler Kurt Schmidinger
Fleischkonsum und Klima: Rinderhaltung schädigt das Klima nicht nur durch Methanemissionen - sondern auch durch ihren Flächenverbrauch
Rinderhaltung schädigt das Klima nicht nur durch Methanemissionen - sondern auch durch ihren Flächenverbrauch
© Daniel Acker/Bloomberg via Getty Images
Fleischkonsum und Klima: Kurt Schmidinger ist Diplom-Geophysiker und Doktor der Lebensmittel-Wissenschaften und leitet das Projekt www.futurefood.org
Kurt Schmidinger ist Diplom-Geophysiker und Doktor der Lebensmittel-Wissenschaften und leitet das Projekt www.futurefood.org

GEO.de: Dass Fleisch keine gute Klimabilanz hat, ist bekannt. Was ist neu an Ihrem Ansatz?

Kurt Schmidinger: Den Anstoß zu unseren Berechnungen gab eine niederländische Studie aus dem Jahr 2009, bei der meine Co-Autorin Elke Stehfest die Hauptautorin war. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass wir uns bis zum Jahr 2050 80 Prozent der Klimastabilisierungskosten - 32 Billionen US-Dollar - sparen könnten, wenn wir auf die Nutztierhaltung ganz verzichteten. Mit Klimastabilisierung ist gemeint, dass wir die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf dem Niveau von 2000 halten. Auf diese enorme Geldsumme waren sie gekommen, weil sie auch die Auswirkungen des Flächenverbrauchs auf das Klima berücksichtigt hatten. Das hat mich inspiriert, die Klimaauswirkungen des Flächenverbrauchs erstmals direkt in die CO2-Bilanz von tierischen und pflanzlichen Produkten einzurechnen.

Der Flächenverbrauch spielte in CO2-Bilanzen bisher keine Rolle?

Bisher wurden bei Ökobilanzen, so genannten Life Cycle Assessments, nur Emissionen eingerechnet, die einem Produkt direkt zuzuordnen sind. Das umfasst zwar den gesamten Produktionszyklus, im Fall von Fleisch etwa die Herstellung des Kunstdüngers für Futtermittel bis zur Entsorgung der Fleischverpackung und alle Schritte dazwischen: Tierhaltung, Anbau der Futtermittel und so weiter. Aber der Flächenverbrauch blieb bei allen bisherigen Berechnungen außenvor. Also haben wir addiert, was wir missed carbon sink potential nennen: nicht realisiertes CO2-Speicherpotenzial. Landwirtschaftlich genutzte Flächen binden weit weniger CO2 aus der Atmosphäre als die natürliche Vegetation. Dass dieser Wert bisher keine Rolle spielte, ist umso erstaunlicher, als die Tierhaltung mit Abstand der größte Flächenverbraucher weltweit ist. Rund zwei Drittel aller vom Menschen genutzten Flächen dienen der Tierhaltung.

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Das missed carbon sink potential ist im Schnitt genauso groß wie alle übrigen Emissionen der Tierhaltung. Die Emissionen verdoppeln sich also im Mittel. Mit Abstand am schlechtesten schnitt brasilianisches Rindfleisch ab. Nach unseren Berechnungen ist es etwa 25-mal so klimaschädlich wie bisher angenommen. Bei den Fleischprodukten hat niederländisches Geflügelfleisch aus konventioneller Geflügelmast noch die geringsten Auswirkungen auf das Klima.

Ist das eine Kaufempfehlung?

Nein. Auch wenn heutige Masttiere auf Effizienz gezüchtet sind: Jede Form der Fleischproduktion ist extrem ineffizient, was die Kalorienausbeute betrifft. Man braucht im Schnitt mindestens sieben pflanzliche Kalorien, um eine Kalorie Fleisch zu produzieren. Fünf Kalorien gehen nur für den Stoffwechsel der Tiere drauf. Wir verfüttern 40 Prozent der Weltgetreideernte und 85 Prozent der Sojaernte an Nutztiere - und produzieren daraus primär Exkremente. Unter dem Gesichtspunkt der Welternährungssituation ist das natürlich Wahnsinn.

Aber Massentierhaltung ist immer noch besser als extensive Weidehaltung?

Die Massentierhaltung schneidet zwar in puncto Flächenverbrauch besser ab als extensive Weidehaltung, aber sie hat auf anderen Gebieten immense Nachteile: Wasser- und Luftverschmutzung, Tierschutzproblematik, Antibiotikaresistenzen und Pandemien, die in der Massentierhaltung ihren Ursprung haben. Man muss die Dinge immer von verschiedenen Seiten betrachten. Der Flächenverbrauch ist nur ein Aspekt. Es ist sogar denkbar, dass man genau die Form der Tierhaltung, die in unserer Studie am schlechtesten abschneidet, mancherorts weiter praktizieren sollte, weil sie in vielen anderen Bereichen schonender ist.

Man hört immer wieder, dass der Flächenverbrauch von Bio-Tierhaltung größer sei als der von konventioneller Tierhaltung. Was ist denn nun besser?

Bei den Emissionen ist die Bio-Tierhaltung teils besser, teils schlechter als die Massentierhaltung. Besser ist sie im Bereich von Lachgasemissionen aus dem Kunstdüngereinsatz. Schlechter ist sie dadurch, dass die Tiere länger brauchen, um Gewicht zuzulegen und dadurch auch mehr Methan freisetzen. Und, ja, auch der Flächenverbrauch ist größer. Die Klimabilanz von Biofleisch ist letztlich auch nicht gut.

Tofu

Und was würden Sie nun empfehlen?

Wenn wir eine Gesamtbilanz aufstellen, die Welternährungssituation, Flächenverbrauch, Ökologie, Gesundheit und den Tierschutz einschließt, dann kann die Schlussfolgerung nur sein: Wir müssen weg von der Tierhaltung, hin zu einer effizienten Verwendung pflanzlicher Kalorien.

Also Tofu statt Steak?

Ganz klar. Pflanzliche Produkte mit hohem Proteingehalt, wie beispielsweise Tofu und Tempeh, sind auch in der Klimabilanz im Schnitt noch einmal um den Faktor zwei oder drei besser als niederländisches Geflügelfleisch.

Essen Sie noch Fleisch?

Ich bin mit Fleischprodukten groß geworden, habe aber später durch die Beschäftigung mit dem Thema angefangen, über Alternativen nachzudenken. Seit zwölf Jahren ernähre ich mich ganz ohne tierische Produkte - auch um zu verifizieren, dass es funktioniert. Wenn man einige wenige Dinge beachtet, wird die vegane Ernährung zum gesundheitlichen Trumpf. Meine Blutwerte sind super.

Link zur Studie (The International Journal of Life Cycle Assessment): www.springerlink.com/content/t7h218510496nh0m

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