Es ist eine einfache Rechnung: Deutschland hat sich zum 1,5 Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens bekannt. Demnach darf es ab dem Jahr 2020 noch 4,2 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre blasen. Das nämlich ist sein rechnerischer Anteil am verbleibenden globalen CO2-Budget. Sollten die Emissionen hierzulande auf dem Niveau von heute bleiben, wäre schon in fünf Jahren der Ofen aus. Finito. Netto-Null-Emissionen.
Der Eisberg ist schon in Sichtweite: Die Menschheit steht am Beginn eines Zeitalters selbst verschuldeter Naturkatastrophen, auch Deutschland wird nicht verschont. Die Flutkatastrophe und mehrere Dürrejahre geben davon einen Vorgeschmack.
Um das Schlimmste jetzt noch zu verhindern, müsste man vor allem den dreckigsten aller fossilen Energieträger im Boden lassen: die Braunkohle. (Die, nebenbei bemerkt, für einen Großteil der gewaltigen historischen Emissionen des kleinen Landes verantwortlich ist.)
Was für ein Anachronismus: Im Jahr 2021 sollen Dörfer Braunkohlebaggern weichen
Vor drei Jahren konnte nur ein massiver zivilgesellschaftlicher Protest die Vernichtung des Hambacher Forsts verhindern. Jetzt, im Jahr 2021, sollen weitere Dörfer verschwinden. Menschen werden enteignet und umgesiedelt. Für Braunkohle.
Lützerath ist eines dieser Dörfer. Die Bagger arbeiten schon seit Monaten, dem letzten Dorfbewohner, dem Bauern Eckardt Heukamp, droht spätestens im November die Zwangsräumung. Doch Heukamp hat Unterstützer*innen und gute Argumente auf seiner Seite. Auf einem Transparent an seinem Hof steht: "1,5 Grad heißt: Lützerath bleibt." Dass das keine leere Parole ist, untermauert ein Gutachten des renommierten Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Dessen Autor*innen rechnen vor: Sollen sich die Abbaumengen im Rheinischen Kohlerevier am Pariser Klimaziel orientieren, können der Hambacher Forst und alle Dörfer bleiben. Ohnehin sei absehbar, dass die Klimaziele der Bundesrepublik in den kommenden Jahren verschärft werden müssen.
Und selbst ohne eine ambitioniertere Klimaschutzpolitik werde sich in den kommenden Jahren der Kohlebedarf im Rheinischen Revier "deutlich reduzieren".
Kohleschutz verletzt das Gerechtigkeitsempfinden
Klimaschützer verstehen die Kohleschutz-Ambitionen in Düsseldorf und Berlin schon lange nicht mehr. Psychologen auch nicht. Jetzt weisen die Psychologists for Future darauf hin, dass die staatliche Rückendeckung für den Kohlekonzern RWE das Gerechtigkeitsempfinden von Menschen verletze, die sich um das Klima sorgen. Sie könne die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben – und die Radikalisierung der Klimabewegung.
Guckt in Berlin und Düsseldorf eigentlich noch irgendjemand Nachrichten?