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Besorgnis erregende Stichproben
Anfang des Jahres untersuchte die baden-württembergische Lebensmittelüberwachung Gemüsepaprika aus dem Ausland. Ergebnis: 34 Prozent der Stichproben enthielten Rückstände des Insektengifts Methamidophos - und zwar mehr als zulässig ist. Bei türkischer Ware stellten die Prüfer sogar in 19 von 24 Proben Höchstwert-Überschreitungen fest.
Hilft viel viel?
Auch in deutschen Landen wird auf Äckern und in Treibhäusern fleißig gespritzt: nach Angaben von Greenpeace werden jährlich rund 30 000 Tonnen Pestizide versprüht. Der konventionelle Bauer rückt mit der Giftdusche Wildkräutern, Pilzen, Insekten und Milben zu Leibe. Hinzu kommen Chemikalien, die das Wachstum der Pflanze beeinflussen. Zu den über 800 in Europa zugelassenen Giften kommen noch einmal rund 600, die weltweit in Gebrauch sind.
Ziemlich giftige Gurken Groß angelegte, regelmäßige Untersuchungen, wie das "Lebenmittel-Monitoring" von Bund und Ländern, fördern regelmäßig Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz zutage. Im Jahr 2000 suchten die Laboranten unter anderem in 122 Gurkenproben nach Spuren von immerhin 116 Pflanzenschutzmitteln. Das als harmlos eingestufte Gemüse erwies sich dabei als Giftcocktail: In fast zwölf Prozent von ihnen fanden die Prüfer Pestizid-Rückstände über dem jeweiligen Grenzwert. Trotzdem lautete das Fazit: "Die Ergebnisse haben … gezeigt, dass die Lebensmittel im Hinblick auf das Vorkommen von unerwünschten Stoffen ohne Bedenken verzehrt werden können."

Macht die Menge das Gift?
Wie viel Gift Lebensmittel enthalten dürfen, regelt in Deutschland die Rückstandshöchstmengen-Verordnung. Waren, die die Grenzwerte überschreiten, dürfen zwar nicht mehr verkauft werden. Die Namen der Händler und Produzenten werden aber nicht veröffentlicht. Nicht-Regierungsorganisationen fordern deshalb regelmäßig mehr Transparenz. "Jeder Verbraucher sollte nachvollziehen können, welches Produkt von welchem Hersteller betroffen ist und welche Maßnahmen zum Verbraucherschutz getroffen wurden", sagt Susanne Smolka, Biologin und Pestizid-Expertin beim Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany).
Die Ausnahme von der Regel
Das in den türkischen Paprika gefundene Gift ist in der EU verboten. Doch für ausländische Produkte können Ausnahmeregelungen getroffen werden. So dürfen in deutschen Läden auch Produkte mit Rückständen von in Deutschland verbotenen Pestiziden verkauft werden. Und auch die Grenzwerte für Rückstände können im Einzelfall überschritten werden - so lange keine "gesundheitliche Gefährdung" vorliegt.
Verbraucher kontra Handelsinteressen
Welches Gift in Deutschland verwendet werden darf, entscheidet das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Das gesundheitliche Risiko wiederum beurteilt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Türkische Paprika waren im Jahr 2002 schon einmal aufgefallen. Damals stellte das BfR fest: "Eine gesundheitliche Gefährdung beim Verzehr von einzelnen Paprikafrüchten mit hohen Rückständen ist ... nicht zu befürchten."
Die EU prüft und verheimlicht
Über die verbraucher-unfreundliche Haltung der Behörden herrscht in der Europäischen Union Einigkeit: Der zuständige EU-Kommissar David Byrne ließ in einer Presseerklärung verlauten, dass auf das Gleichgewicht zwischen Transparenz und Schutz kommerzieller Information, wie etwa dem Namen der Unternehmen, zu achten sei. Das "Rapid Alert System" der EU listet seit 1992 (online seit Mai 2003) Warnhinweise nach Herkunftsland und Ort der Probenentnahme auf. Doch konkrete Hinweise für den Verbraucher gibt es nicht.
Vorbildliche Negativliste
Mit besserem Beispiel ging etwa die britische "Coop"-Handelskette voran: Sie verpflichtete ihre Produzenten vertraglich, auf bestimmt Pestizide zu verzichten. Susanne Smolka glaubt, dass solche Aktionen Schule machen könnten. In Deutschland sehen die großen Vermarkter jedoch bislang keinen Handlungsbedarf.
Der Pestizid-Markt ist Bewegung
Für den Laien ist die Frage der Pestizidrückstände hoffnungslos undurchsichtig. Doch selbst Chemiker und Ernährungswissenschaftler stehen bei der Analyse von Risiken und Nebenwirkungen vor einem kaum lösbaren Problem. Denn es können nicht alle Waren, sondern immer nur kleine Stichproben geprüft werden. In diesen Stichproben wiederum können die Prüfer nur finden, wonach sie suchen - also bekannte Gifte. Doch für manche Stoffe gibt es nicht einmal Untersuchungsmethoden. Und die chemische Industrie und die Produzenten sind flexibel: "Es werden immer neue Stoffe entwickelt, andere vom Markt genommen. Da tut sich immer was", sagt Hella Hansen, Ernährungswissenschaftlerin und Redakteurin der Zeitschrift Öko-Test. "Unsere Test-Ergebnisse sind immer nur Momentaufnahmen."
Wechselwirkungen sind unbekannt
Dabei kann sich der Verbraucher nicht einmal dann in Sicherheit wiegen, wenn nachgewiesen wurde, dass die Pestizidrückstände nicht über den Grenzwerten liegen: Denn zum einen ist die Festlegung der zulässigen Höchstmengen umstritten, zum anderen sind die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Pestiziden weitgehend unerforscht: "Kein Mensch kann abschätzen, wie sich das auswirkt, wenn sich die Gifte im Körper summieren", sagt Hella Hansen.
Ist "bio" besser?
Ein Ausweg aus dem Chemie-Dschungel ist biologisch angebautes Obst und Gemüse. "Unsere Tests haben gezeigt, dass Bio-Ware sehr viel geringer belastet ist - in der Regel gar nicht", sagt Hella Hansen. Doch selbst die strengen Richtlinien für den biologischen Landbau geben keine Gewähr: So kann im Getreide selbst des lautersten Bio-Bauern Gift enthalten sein. Nämlich dann, wenn der konventionell anbauende Nachbar Pestizide versprüht, die vom Winde verweht werden oder mit dem Grundwasser in den benachbarten Boden gelangen. So fand Hella Hansen in einem Bio-Brot Spuren des Wachstums-Regulators Chlormequat. Der Wirkstoff verlangsamt das Pflanzen-Wachstum und wird im Getreideanbau verwendet, damit die Getreidehalme sicherer stehen und später leichter zu ernten sind.
Chemie-Altlasten
Gift ist nicht aus der Welt, nur weil es nicht mehr gespritzt wird: Chlormequat ist in Deutschland im Obstanbau mittlerweile verboten. Dennoch fanden Prüfer Rückstände des Wirkstoffs selbst in einem besonders heiklen Prüfobjekt: in Baby-Obstbrei. Für Babynahrung gelten besonders strenge Richtlinien und niedrigere Grenzwerte. Wie konnte das Gift in die Birnen gelangen? Untersuchungen ergaben, dass die Obstbäume den Stoff im Stamm eingelagert hatten und alljährlich an die Früchte abgaben.
Tipps für den Einkauf
- Bioware bevorzugen!
- Obst und Gemüse, das im Freiland wächst, ist meist geringer belastet als Treibhausware. Also: in der jeweiligen Saison kaufen (keine Erdbeeren im Frühjahr)!
- Konventionelle Ware am besten schälen oder gut abwaschen (auch wenn es um die besonders nährstoffreiche Schale schade ist)!
- Je dicker die Schale, desto geringer die Chance, dass innen etwas von dem äußerlich angewendeten Gift ankommt. So ist in der Schale von Bananen rund sechs mal mehr Gift enthalten als im Fruchtfleisch!
- Grundsätzlich gilt: Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ist der Garant für Gesundheit und Wohlbefinden. Wer sich aus Angst vor Pestiziden einseitig ernährt, schadet sich selbst!
