Meeresschutz KI kann Geisternetze aufspüren – und Tierleben retten

Unechte Karettschildkroete, Unechte Karette Caretta caretta, gefangen in einem frei schwebenden Geisternetz, Azoren
Als Geisternetze werden alle Gerätschaften bezeichnet, die von Fischereischiffen aus ins Meer gelangen. Meist sind das keine vollständigen Netze, die hinterher im Meer wabern, sondern nur Reste von Netzen sowie Leinen, Taue oder Köderhaken
© AGAMI/V. Legrand / imago images
Schildkröten und Krebse können sich in alten Netzen verfangen, Korallen dadurch Schaden nehmen. Solche Netzreste und Taue aufzuspüren, ist schwierig. Nun soll modernste Technik helfen

Verloren gegangene Fischernetze sollen künftig mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz besser in den Ozeanen aufgespürt werden können. Die neue Technik könne Sonar-Aufnahmen vom Meeresboden automatisch auswerten und Stellen markieren, an denen sich vermutlich solche Geisternetze befänden, teilte die Umweltschutzorganisation WWF Deutschland mit. Solche Netze gefährden Meerestiere und -pflanzen.

Der WWF arbeitet dafür mit den Unternehmen Accenture und Microsoft zusammen. Gemeinsam starteten sie die KI-gestützte Online-Plattform GhostNetZero.ai, über die Forschungsinstitute, Behörden oder Windkraftfirmen geeignete Sonardaten spenden können. Diese Aufnahmen würden ohnehin etwa zur Sicherung des Schiffsverkehrs oder für Windkraftanlagen erhoben. 

Netzteile, Leinen, Taue, Haken, Reusen

Als Geisternetze werden alle Gerätschaften bezeichnet, die von Fischereischiffen aus ins Meer gelangen. Meist sind das keine vollständigen Netze, die hinterher im Meer wabern, sondern nur Reste von Netzen sowie Leinen, Taue oder Köderhaken. Auch Reusen und andere Fangkäfige werden dazugerechnet. 

Geisternetze im Mittelmeer
© AegeanRebreath
Erschreckende Aufnahmen zeigen, wie schwierig die Bergung herrenloser Fischernetze ist

Australische Forschende berechneten vor wenigen Jahren, dass etwa zwei Prozent der weltweit verwendeten Fischereiausrüstung jährlich im Meer landen, also Zehntausende Quadratkilometer Stellnetze und Ringwadennetze, dazu Hunderttausende Kilometer Langleinen. 

Der WWF spricht von 50.000 Tonnen Fischernetzen. Sie würden zur "tödlichen Falle für Fische, Seevögel, Schildkröten oder Meeressäuger". Auch Korallen könnten dadurch beschädigt werden. Über die Zeit zersetzten sich die Fischereigeräte in kleinere Stücke und Fasern.

Treffergenauigkeit schon bei 90 Prozent

Solche verlorenen Ausrüstungsmaterialien machten einen erheblichen Teil des Plastikmülls im Ozean aus, erklärte Gabriele Dederer, Forschungstaucherin und Projektleiterin Geisternetze des WWF Deutschland. "Aber sie sind unter der Wasseroberfläche unsichtbar und ihre Ortung ist aufwendig." 

Nicht nur Fische, sondern auch unzählige Seevögel und Säugetiere verfangen sich in alten Fischernetzen. Ein verlassenes Stellnetz in der Ostsee wurde zum Grab für diesen Kormoran 

Meerestiere Tödliche Falle im Meer: Niemand will Geisternetze. Doch wer ist für die Bergung verantwortlich?

Fast ein Drittel des Mülls im Ozean besteht aus verlorenen Fischernetzen. Jahrzehntelang treiben sie im Wasser und werden zur tödlichen Falle für Fische, Säugetiere und Seevögel. Weil verworrene Zuständigkeiten es unklar lassen, wer für ihre Bergung verantwortlich ist, tauchen bislang vor allem Freiwillige nach ihnen. Doch nun bewegt sich auch die Politik – und die ersten Fischer fischen nach Netzen statt nach Fischen

Der WWF hat bisher mit eigenen Sonardaten 26 Tonnen Geisternetze aus der Ostsee geborgen. Die nun mit KI gewonnenen Informationen sollen bei dem Projekt, das zusammen mit örtlichen Fischern durchgeführt wird, ein präziseres Arbeiten ermöglichen. "Für andere Länder wollen wir beispielgebend sein", sagt Dederer. Es gebe schon viel Techniktransfer und gemeinsame Projekte.

Die Kombination aus Sonardaten und KI-Erkennung könne die Suche, die vorher händisch erfolgte, substanziell verbessern, meint die Projektleiterin. "Überall auf der Welt wird der Meeresboden kartiert, es existieren gewaltige Datenmengen." Würden diese gezielt ausgewertet, könne viel mehr aufgespürt werden. Die Treffergenauigkeit der KI liege bereits bei 90 Prozent. Nun würde sie weiter trainiert, um etwa Unterseekabel von Netzen zu unterscheiden.