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Fusarium-Pilze Europa: Weizen zu großem Teil mit Pilzgiften belastet

Weizen
Bei Überschreiten der Grenzwerte wird für den menschlichen Verzehr vorgesehener Weizen zu Viehfutter herabgestuft
© University of Bath
Ein großer Teil des in Europa angebauten Weizens enthält Pilzgifte. Zwar liegen die Konzentrationen meist unter dem Grenzwert, doch Forscher sind besorgt über die Folgen von stetigem Konsum - und von Toxin-Cocktails

Fast die Hälfte des in Europa angebauten Weizens ist mit Pilzgiften belastet - wenn auch meist in niedriger Konzentration. Das berichtet ein britisches Forschungsteam nach Auswertung der Daten von Behörden und Agrarindustrie. Die Giftstoffe stammen von Fusarium-Pilzen, die Weizen und anderes Getreide befallen und schädigen. Bei Menschen und Tieren können diese Mykotoxine Übelkeit, Erbrechen und Verdauungsprobleme sowie möglicherweise noch weitere Beschwerden hervorrufen. Zwar gibt es Grenzwerte für Konzentrationen solcher Stoffe in Weizen, allerdings sind langfristige Folgen eines Verzehrs geringer Mengen ungeklärt.

"Kontaminierte Ernten und Fusarium-Giftstoffe machen immer Sorge, denn sie bedrohen unsere Gesundheit, und wir verstehen ihre Folgen für unser Wohlbefinden nur teilweise", sagt Studienleiter Neil Brown von der Universität Bath. "Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass Weizen weltweit eine enorm wichtige Nutzpflanze ist. Es ist essenziell, dass wir neben der Produktion sicherer Lebensmittel auch hohe Erträge erhalten." Derzeit würden die Erträge ohnehin schon sinken, durch den Klimawandel und den Krieg in der Ukraine - einen der größten Weizenproduzenten weltweit.

Weizen wird regelmäßig auf Gifte getestet

Um einen Überblick über das gesamteuropäische Ausmaß der Belastung durch Mykotoxine zu erhalten, wertete das Team um Brown Datenbanken von Regierungen und Agrarindustrie über das vergangene Jahrzehnt von 2010 bis 2019 aus. Denn Weizen wird regelmäßig auf einige Fusarium-Gifte getestet.

In jedem europäischen Land waren solche Toxine nachgewiesen. Insgesamt enthielt knapp die Hälfte (47 Prozent) des für den menschlichen Verzehr vorgesehenen Weizens in Europa das Toxin Deoxynivalenol (DON), auch Vomitoxin genannt, zumindest in geringer Menge. In Großbritannien, Schweden und Dänemark waren es sogar 69 bis 93 Prozent. 

Etwa 95 Prozent des für den menschlichen Verzehr produzierten Weizens unterschritten demnach den dafür festgelegten Sicherheitswert von 750 Mikrogramm DON pro Kilogramm. Bei einem Überschreiten wird für den menschlichen Verzehr vorgesehener Weizen zu Viehfutter herabgestuft - damit sinkt auch der Verkaufspreis. In Futterweizen fanden die Forscher denn auch bedeutend höhere Toxin-Konzentrationen. Auch hier wurde der Schwellenwert von 8000 Mikrogramm pro Kilogramm teilweise überschritten, mitunter um das Sechsfache.

Demnach wurden in Europa von 2010 bis 2019 schätzungsweise 5 Prozent des eigentlich für den Menschen vorgesehenen Weizens - etwa 75 Millionen Tonnen - an Tiere verfüttert. Das bedeute einen Verlust von drei Milliarden Euro, kalkuliert das Team im Fachblatt "Nature Food".

Gesundheitliche Fragen sind noch offen

Offen sind dagegen noch viele gesundheitliche Fragen: Unklar sei etwa, so die Forscher, ob nicht auch eine regelmäßige lebenslange Aufnahme geringer Mengen etwa des Toxins DON die Gesundheit schädigen könne. Damit nicht genug: Weitere Untersuchungen ergaben, dass mindestens 25 Prozent des mit Mykotoxinen belasteten Weizens neben DON noch andere Fusarium-Giftstoffe enthielt - etwa Fumonisin (FUM), Zearalenon (ZEN) oder T-2. Möglicherweise könnten sich verschiedene dieser Toxine gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken und die Gesundheit besonders schädigen. 

"Wir verstehen die gesundheitlichen Folgen des Kontakts zu mehreren Toxinen gleichzeitig nicht, vor allem wenn dieser Kontakt kontinuierlich ist", sagt Brown. "Die zunehmenden Werte von Ko-Kontaminationen und möglichen Synergien zwischen Giftstoffen machen uns Sorge."

Noch ein weiteres Phänomen bereitet dem Team Unwohlsein: Im Mittelmeerraum nahmen diese Giftstoffe im Studienzeitraum zu, vor allem in den beiden letzten Jahren 2018 und 2019. Dies könne möglicherweise mit Anbaumethoden zusammenhängen oder aber mit dem Klimawandel, schreibt die Gruppe.

"Wir müssen wachsam sein beim Testen von Getreide auf Mykotoxine", sagt Ko-Autorin Sarah Gurr, Expertin für Lebensmittelsicherheit an der Universität Exeter. "Jeder von uns isst pro Jahr circa 66 Kilogramm Weizenmehl - etwa in Form von Nudeln und Brot. Es ist wichtig, Weizen vor Fusarium-Infektionen zu schützen."

Walter Willems, dpa

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