White striping Was weiße Streifen im Hühnerfleisch über die Haltung verraten

Mit dem bloßen Auge zu erkennen: Weiße Streifen im Muskelgewebe deuten auf Turbo-Mast hin
Mit dem bloßen Auge zu erkennen: Weiße Streifen im Muskelgewebe deuten auf Turbo-Mast hin
© Albert Schweitzer Stiftung
Dem abgepackten Fleisch im Kühlregal sieht man nicht an, wie das Tier gelebt hat? Stimmt nicht, sagen Tierschützende

Hühnerfleisch wird immer beliebter. Durchschnittlich isst jede und jeder Deutsche 13,6 Kilogramm fettarmes, eiweißreiches Fleisch im Jahr – Tendenz steigend. Was hierzulande wenig bekannt ist: Die feinen weißen Streifen, die sich oft durch das Muskelgewebe ziehen, sind nicht nur ein ästhetisches Problem.

Das in Deutschland kaum beachtete Phänomen, auf Englisch White Striping, ist seit Langem bekannt. Es handelt sich um eine degenerative Erkrankung der Brust- und Oberschenkelmuskulatur, die bei Masthühnern verbreitet ist. Die Ursache ist das unnatürlich schnelle Wachstum der speziell auf "Fleischansatz" gezüchteten Masthühner: Ihre Muskelfasern werden ungenügend mit Blut versorgt, sterben teilweise ab – und werden durch Fett und Bindegewebe ersetzt. Die weißen Streifen sind auch für Laien mit dem bloßen Auge zu erkennen.

Ist weiß gestreiftes Fleisch gesundheitsschädlich?

Essen kann man weiß gestreiftes Fleisch zwar bedenkenlos – weil Fett und Bindegewebe für sich genommen nicht gesundheitsschädlich sind. Allerdings können die Nährwerte im Vergleich zu Fleisch von gesunden Tieren stark abweichen. Laut einer Studie der Universität Bologna kann Hühnerbrust mit mittleren oder ausgeprägten Anzeichen von Muskelverfettung bis zu 224 Prozent mehr Fett und neun Prozent weniger Protein enthalten.

Für Menschen, denen Tierwohl am Herzen liegt, dürfte wichtiger sein, was die weißen Streifen über das Tier verraten – und darüber, wie es gelebt hat.

Nach vier oder sechs Wochen Mastzeit teilen sich bis zu 26 Tiere einen Quadratmeter verdreckten Stallboden
Nach vier oder sechs Wochen Mastzeit teilen sich bis zu 26 Tiere einen Quadratmeter verdreckten Stallboden
© AlexanderLipko / Shutterstock

Besonders von der Erkrankung betroffen sind Studien zufolge sogenannte Turbo-Hühner, also Rassen, die speziell auf schnelles Fleischwachstum gezüchtet wurden. Innerhalb von nur vier bis sechs Wochen Lebenszeit erreichen solche Tiere die Schlachtreife – sofern sie nicht zu den fünf bis sieben Prozent gehören, die noch im Stall oder auf dem Weg zu Schlachthof sterben. Muskelverfettung ist der Albert Schweitzer Stiftung zufolge ein "klares Indiz für Tierleid" – das in der Kühltheke eher die Regel als die Ausnahme ist.

Die Stiftung hat zwischen August 2024 und Februar 2025 rund 550 Hühnerbrustpackungen von deutschen Edeka-Filialen untersucht, allesamt aus der Haltungsstufe 2. Bei fast 95 Prozent von ihnen fanden die Tester Anzeichen von Muskelverfettung.

In den Haltungsstufen 1 und 2 werden der Albert Schweitzer Stiftung zufolge mit "sehr hoher Wahrscheinlichkeit Qualzuchten" eingesetzt, bei denen das Risiko für Muskelverfettung "extrem hoch" ist. In den Haltungsformen 3 und 4 nehme das Risiko zwar ab. Doch auch hier fehlten Positivlisten für tierschutzgerechte Hühnerrassen, bemängeln die Tierschützenden. Verboten ist der Einsatz von "Turbo"-Hühnern also nicht. Ebenso wenig wie in der höchsten, der Bio-Stufe. Immerhin: Supermärkte wie Aldi und Rewe haben sich laut Albert Schweitzer Stiftung dazu verpflichtet, auf "Turbo"-Rassen zu verzichten.