Mensch-Tier-Konflikt Warum italienische Reisbauern auf Flamingos nicht gut zu sprechen sind

Rosaflamingos bei der Nahrungssuche: Die Vögel brüten überwiegend in großen Kolonien an ausgedehnten, flachen, schlammigen Stränden an Salzseen oder Meeresbuchten
Rosaflamingos bei der Nahrungssuche: Die Vögel brüten überwiegend in großen Kolonien an ausgedehnten, flachen, schlammigen Stränden an Salzseen oder Meeresbuchten
© Mathias / Adobe Stock
Für die einen sind Flamingos zauberhafte Vögel und willkommene Fotomotive. Für Reisbauern jedoch sind sie einfach nur ein Ärgernis. Der Grund ist ihre besondere Nahrungssuche

Mit einem ungewöhnlichen Problem haben es zurzeit Reisbauern in Norditalien zu tun. In den Regionen Emilia-Romagna und rund um das Podelta bangen Landwirte um ihre Ernte – nicht wegen großer Trockenheit oder wegen Pflanzenkrankheiten. Sondern wegen Flamingos.

Die prachtvollen Vögel haben die Reisfelder für die Nahrungssuche entdeckt. Dabei haben sie es gar nicht auf junge Reispflanzen abgesehen: Rosaflamingos (Phoenicopterus roseus) ernähren sich von Muscheln, Insekten und kleinen Krebsen, die sie mit ihrem Schnabel aus dem Wasser und dem Schlamm seihen. Das Problem: Unbeabsichtigt reißen sie dabei einen Teil der jungen Reispflanzen aus dem lockeren Sediment.

Die Schäden sind den betroffenen Reisbauern zufolge enorm: "Wir haben 80 Prozent unserer Ernte verloren", sagt Giampaolo Cenacchi, Reisbauer und Vizepräsident des Konsortiums Riso del Delta del Po, laut Medienberichten. "Wir schlafen nachts nicht mehr – wir halten Wache."

Vergrämung bislang erfolglos

Die Landwirte versuchen nun, nachts und in den frühen Morgenstunden die Vögel durch Hupen, mit Scheinwerfern und Platzpatronen und sogar mit Knallkanonen von den Feldern zu vertreiben. Bislang offenbar erfolglos, denn die Vögel scheinen sich an den Lärm gewöhnt zu haben. Dafür häufen sich Beschwerden von menschlichen Anwohnern über den nächtlichen Krach.

Die zartrosa Vögel sind in den feuchten Tiefebenen und Lagunen Norditaliens eine besondere Attraktion. Vor allem die Brut- und Rastplätze an der Mündung des Flusses Po in das Adriatische Meer ziehen – ähnlich wie in der französischen Camargue – jedes Jahr Tausende Touristen, Naturliebhaber und Fotografen an.

Dass die Vögel in Reisfeldern nach Nahrung suchen, ist ein neues Phänomen. Ungewöhnlich sei die Anwesenheit von Flamingos in Reisfeldern der Region zwar nicht, erklärt der Ornithologe Rosario Balestrieri von der Stazione Zoologica Anton Dohrn in Neapel laut Fanpage.it. Doch die Vögel erlebten zurzeit eine ungewöhnliche Ausbreitung. Der Experte vermutet einen Zusammenhang mit dem Klimawandel: Weil natürliche Feuchtgebiete durch zunehmende Dürren schwinden, weichen die Flamingos auf die bewässerten Reisfelder als "künstliche Lagunen" aus.

Balestrieri erklärt, die aktuelle Situation sei kein "Krieg zwischen Menschen und Vögeln", sondern eine Herausforderung, die das gemeinsame Engagement von Forschungseinrichtungen, Institutionen, Landwirten und Umweltverbänden erfordere.

Flamingos haben – aus Nordafrika kommend – seit 1993 neue Lebensräume für sich in Italien erschlossen – zuerst auf Sardinien, dann in der Toskana, in Apulien und seit der Jahrtausendwende auch in der Emilia-Romagna. "Dieses fortschreitende Sesshaftwerden ist ein offensichtliches Zeichen für den Fortpflanzungserfolg der Art in unserem Land", sagt der Ornithologe.

Um Flamingos in freier Wildbahn zu sehen, müssen Naturfreunde nicht ans Mittelmeer reisen: Die nördlichste Brutkolonie des Rosaflamingos befindet sich im Naturschutzgebiet Zwillbrocker Venn in Nordrhein-Westfalen. Der erste Nachwuchs schlüpfte hier schon im Jahr 1993.