Verhaltensforschung Scheue Flamingos, neugierige Falken: Nicht alle Vögel sind offen für Neues

Flamingos sind besonders ängstlich – erstaunlicherweise vor allem dann, wenn sie von Artgenossen umgeben sind
Flamingos sind besonders ängstlich – erstaunlicherweise vor allem dann, wenn sie von Artgenossen umgeben sind
© A.Greeg / Getty Images
Vorsicht oder Neugier? Warum manche Vögel lieber abwarten, wenn plötzlich ein Tennisschläger neben dem Futter liegt – und was das für ihren Schutz bedeutet

Auf ins Abenteuer oder lieber auf Nummer sicher? Vögel sind unterschiedlich offen für Neues. Diese Erkenntnis könne relevant für künftigen Artenschutz sein, schreibt ein internationales Forschungsteam unter anderem von der Anglia Ruskin University in Cambridge und der Universität Düsseldorf im Fachblatt "PLOS Biology". 

Im Rahmen des großangelegten Forschungsprojekts, in das 82 Institutionen – darunter Labore und Zoos – in 24 Ländern involviert waren, untersuchte das Team die Gründe dafür, dass einige Vogelarten sich als neugierig und offen für neue Erfahrungen zeigten, während andere eine ausgeprägte Neophobie – also Angst vor Neuem und Unbekannten – haben. Diese Angst sei bei Tieren zentral dafür, wie sie Chancen und Risiken abwägen, erklären die Studienautoren. 

Zwei entscheidende Faktoren für die Angst vor Neuem

Zwei Faktoren stellten sich dabei als entscheidend für die Neophobie heraus: einerseits, was die Vögel aßen, und andererseits, ob es sich um Zugvögel handelte. Bei Arten mit einem eher begrenzten Nahrungsspektrum war die Neophobie stärker ausgeprägt als bei Vögeln mit einer breiter gefächerten Ernährung. Dies könne daran liegen, dass erstere weniger Reize aus ihrer Umgebung gewohnt seien und daher Veränderungen als bedrohlicher wahrnähmen, schreiben die Autoren. 

Mit Blick auf das Migrationsverhalten der Vögel überrascht der Zusammenhang auf den ersten Blick: Es sind die vielgereisten Zugvögel, die stärkere Angst vor Neuem haben – offenbar lässt sie das Reisen nicht abstumpfen. Diese Vögel begegneten in der Regel einer großen Bandbreite an teils gefährlichen neuen Dingen und Umgebungen, heißt es in der Studie. Eine gewisse Neophobie könne daher evolutionär vorteilhaft sein.

Den beobachteten Vögeln – insgesamt 136 Arten – wurde in den Experimenten Nahrung präsentiert, die den jeweiligen Vögeln vertraut war – teilweise kombiniert mit einem nicht vertrauten Objekt, etwa einem Tennisschläger, Spielzeugen oder bunter Dekoration. Dabei wurden Objekte verschiedene Farben und Texturen verwendet und die Größe je nach Vogelart angepasst. Die Forschenden stoppten dann die Zeit, die die Tiere vergehen ließen, bis sie sich an die Nahrung trauten. Längeres Zögern wurde als Anzeichen für Neophobie gewertet.

Falken und Fasane sind die größten Draufgänger

Flamingos und Lappentaucher stellten sich als ängstlichste Vögel heraus, während Falken und Fasane die größten Draufgänger-Qualitäten bewiesen und sich nicht von Unbekanntem vom Fressen abhalten ließen. Einzelne Vögel behielten ihr Verhalten in der Regel bei, wenn sie mehrfach getestet wurden. Waren mehrere Vögel gleichzeitig in der Testsituation, waren sie im Schnitt ängstlicher als allein – auch dies ein überraschender Befund. Womöglich ließen sich die Tiere von neophobem Verhalten anstecken, mutmaßt das Team. 

Studienautorin Rachael Miller, heute tätig an den Universitäten Cambridge und Exeter, erklärt: "Neophobie hat Vor- und Nachteile. Neophobe Reaktionen können vor potenziellen Risiken schützen, aber auch die Möglichkeiten einschränken, neue Ressourcen wie unbekannte Nahrungsquellen oder Nistplätze zu nutzen." 

Arten, die eher Schwierigkeiten mit Neuem hätten, täten sich möglicherweise schwerer damit, sich an Veränderungen durch Klimawandel oder Urbanisierung anzupassen, betonen die Autoren.
 

Larissa Schwedes, dpa

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