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Interview Wie das Spielen die Arbeitswelt verändert

Spielen im Büro
Spielerisch neue Ideen entwickeln, kann den Arbeitsalltag nachhaltig verändern
© Viacheslav Iakobchuk / Fotolia
Weil Spielen großen Spaß macht, wollen immer mehr Unternehmen es für die Motivation ihrer Mitarbeiter einsetzen. Doch das ist nicht so einfach, wie es zunächst klingt, erklärt Professor Jens Junge, der das Spielen an der Hochschule für Kommunikation und Design in Berlin, erforscht

GEO: Professor Junge, passen Arbeit und Spielen überhaupt zusammen?

Jens Junge: Sehr gut sogar. Nur unsere kulturelle Prägung erzählt uns etwas anderes. Spielen sei nur den Kindern erlaubt, Erwachsene sollen durch Arbeit den Wohlstand mehren. Dabei haben wir übersehen, dass Spielen uns kreativer und produktiver macht.

Deshalb ist wohl die Gamification so populär, der Einsatz von Spielemechanismen in der Arbeitswelt.

Ich vermeide das Wort „Gamification“. Dieser Begriff ist verbrannt.

Wieso?

Gamification wurde lange Zeit als eine Art Punktifizierung verstanden. Es geht dabei nur um Punkte und Level. Selbst als Konsumenten kennen wir das. Wer einen Kaffee beim Bäcker kauft, bekommt einen Punkt. Bei zehn Punkten geht es ins nächste Level, und man erhält ein Getränk gratis. Wegen eines Punktes läuft jedoch kein Mensch regelmäßig andere Wege, um an seinen Kaffee zu kommen. Die Punkte verkommen zum Mitnahmeeffekt.

Was ist daran verkehrt?

Die Unternehmensleitung packt ein solches Punktesystem bei Mitarbeitern einfach auf bestehende Arbeitsprozesse oben drauf. Die Punkte liefern eine kurzfristige Motivation. Aber wer seine Arbeit nicht gern macht, spielt das Spiel nicht lange mit. Wenn ich zehnmal Mitarbeiter des Monats war, habe ich beim elften Mal keinen Bock mehr. Vielfach werden solche Spiele nur als neue Art empfunden, wie der Boss den Druck erhöht.

Dann sollte Gamification also eigentlich die Lust an der Arbeit wecken?

Darum geht es. Und deshalb nennen wir es auch ungern Gamification, sondern spielerisches Design.

Wie funktioniert das genau?

Freiheit und Autonomieerleben sind eine ­Kernquelle der Spielfreude. Damit werden auch Alltagserlebnisse als spielerisch empfunden. Es geht also darum, äußere Zwänge zu reduzieren, bei der Arbeit eine spielerische Atmosphäre zu schaffen.

Können Sie Beispiele nennen?

Spiele haben hervorragende Feedbacksysteme. Da gibt es sofort eine Rückmeldung für die Spieler: Die Stadt wächst, die Ressourcen vermehren sich. Viele Firmen machen nur ein Jahresgespräch mit Mitar­beitern, und dann noch mit Zielvorgaben. Das ist nicht spielerisch. Fehlertoleranz und Wiederholbarkeit sind ein anderes Thema. In den meisten Spielen haben die Spieler die Möglichkeit, neu zu starten. Das Spiel ­suggeriert: Fall ruhig mal auf die Nase. Diese Scheiterkultur hält allmählich in den Unternehmen Einzug. Man hat erkannt, dass dar­aus Vertrauen und echte Freude am Experimentieren entstehen.

Um ehrlich zu sein, hört sich all das nicht nach spielerischem Design, sondern nach modernem Management an.

Das stimmt. Die neuen Manage­mentansätze nutzen Begriffe wie Partizipation, Freiräume, Kreativität, Neugierde. Da sagen wir Spielewissenschaftler: Diese Dinge sind im Spiel schon ewig verankert. Schön, wenn Manager jetzt darauf kommen.

Dann geht es also gar nicht um richtiges Spielen am Arbeitsplatz?

Doch, das macht auch Spaß. Wir haben Team-Spiele konzipiert, bei denen Mitarbeiter Aufgaben zur Produktpalette ihres Unternehmens lösen mussten, um sich aus einem Raum zu befreien. Das hat eine Weiterbildung mit vier Stunden Power-Point-Präsentation ersetzt. Aber diese Spiele nutzen eben nichts, wenn am Ende die Gewinner fünf Prozent Gehaltserhöhung bekommen und die Verlierer eine Standpauke vom Chef. So macht das Spiel keinen Spaß.

Spielen Sie selbst auch?

Sehr viel. Früher vor allem mit meinen Kindern. Ich habe sie immer zur Weißglut getrieben, wenn sie beim „Mensch ärgere dich nicht“ mit ihren Figuren kurz vorm Häuschen standen und ich gesagt habe: Ab jetzt darf auch rückwärts geschlagen werden.

Das ist gemein.

Das ist spannend. Man sollte ab und zu mal die Regeln ändern. Im Spiel und im wahren Leben.

Jens Junge ist Professor an der desgin akademie berlin - SRH Hochschule für Kommunikation und Design, Direktor des Instituts für Ludologie und Betreiber der Webseite spielen.de. Er erforscht das Spielen. Ein Arbeitsfeld: die sogenannte Gamification, der Einsatz spielerischer Elemente in Unternehmen

GEO Nr. 11/2018 - Spielen

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